POLITIK | 19 Allein die Dokumentationskosten steigen um 111 Prozent Fast alle Betriebe (97 Prozent) haben nämlich nach wie vor Probleme bei der Umsetzung – insbesondere aufgrund der hohen Kosten- und Bürokratiebelastungen. Unter den Herausforderungen steht laut Umfrage mit 67 Prozent der Aufwand zur Anpassung der technischen Dokumentationen ganz oben. Hier seien die Kosten im Durchschnitt um 111 Prozent gestiegen. Die für den Marktzugang erforderliche Zusammenarbeit mit „Benannten Stellen“ stoße ebenfalls auf erhebliche Hindernisse. Die Unternehmen verzeichnen an dieser Stelle laut Befragung durchschnittliche Kostensteigerungen von 124 Prozent. Die Hersteller gaben an, dass in 91 Prozent der Fälle die kompletten Zertifizierungskosten den Ausschlag dafür geben, Medizinprodukte vom EU-Markt zu nehmen. Gerade Nischenprodukte mit kleinem Absatzmarkt könnten somit nicht mehr wirtschaftlich vermarktet werden. Auch die Dauer der Verfahren verlängere sich für viele Betriebe drastisch: Bei 37 Prozent der Unternehmen sei die Verfahrensdauer sogar 3-mal so lang wie vor der MDR, wodurch sich die Bereitstellung der Produkte massiv verzögere. Deutschland und die EU drohen abgehängt zu werden „Die Politik muss die Wettbewerbs- und Innovationskraft der mittelständisch geprägten Medizintechnik-Branche erhalten und stärker in den Blick nehmen – das wäre auch wichtig für die zuverlässige Gesundheitsversorgung in der EU“, fordert der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks angesichts dieser Trends. Die Entwicklung berge zugleich Zündstoff für weitere gesellschaftliche Debatten – auch, weil die EU damit nicht mehr unbestrittene Nummer eins bei Neuzulassungen sei: Mehr als jedes fünfte Unternehmen weicht der Studie zufolge mit medizintechnischen Innovationen auf andere Märkte aus – meistens indieUSA. Gerade die Situation der vielen kleinen Unternehmen sei besorgniserregend, weil ihnen in der Regel weniger finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stünden. Dercks: „Unter dem Dauerdruck droht die mittelständisch geprägte Branche von der Basis her zu erodieren.“ Somit fordern die Initiatoren: „Die Zahlen müssen Brüssel nun zum schnellen Handeln bringen und kurzfristig zu pragmatischen, grundlegenden Schritten führen.“ Aussitzen sei keine Option mehr. ck Aktuelle Bilanz der Hersteller von Medizinprodukten zu den Auswirkungen der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR): Ungelöste Probleme schwächen die Gesundheits- und Innovationsstandorte Deutschland und EU. Ergebnisse einer bundesweiten Unternehmensumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), der Clusterinitiative MedicalMountains und des Deutschen Industrieverbandes SPECTARIS, Dezember 2023 zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (121) „DIE MDR HAT ZU EINEM STERBEN VON MEDIZINPRODUKTEN GEFÜHRT!“ Die Ergebnisse der DIHK-Studie zu den Auswirkungen der MDR bestätigen leider das, wovor wir seit Jahren auf europäischer und nationaler Ebene warnen. Der EU-Gesetzgeber ist mit der MDR von 2017 über das Ziel hinaus geschossen. Die MDR hat nicht mehr Produktsicherheit gebracht, sondern zu einem bedenklichen „Sterben“ von Medizinprodukten geführt. Die EU-Kommission muss schnellstmöglich den Vorschlag für eine grundlegende Korrektur der MDR vorlegen. Erneute Verschiebungen bringen nichts. Konstantin von Laffert, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer ANTEIL DER EINZELNEN ANWENDUNGSGEBIETE/PRODUKTGRUPPEN Mind. teilweise Einstellung des Vertriebs Chirurgische Instrumente 70% Zahnmedizin 67% Pneumologie und Schlafmedizin, Anästhesie, lntensivmedizin 63% Thoraxchirurgie 60% Traumatologie, Unfallchirurgie 58% Radiologie 58% Neurologie und Neurochirurgie 56% Geburtshilfe und Gynäkologie, einschließlich Reproduktionsmedizin 53% Orthopädie, Rehabilitation, Rheumatologie 52% Gastroenterologie und Hepatologie 52% Gefäßchirurgie 51% Kreislaufsystem, Kardiologie 50% Kinderheilkunde (Kinderchirurgie, Kinderkardiologie, Pädiatrie, u.w.) 47% Nephrologie und Urologie 47% Viszeralchirurgie 46% Ophthalmologie 40% Medizinische Software/Apps 30% Investitionsgüter (z.B. Betten, Sterilisatoren, Geräte) 30% Endokrinologie und Diabetes 25% Medizinische Hilfsmittel 25% Digitale Gesundheits- oder Pflegeanwendung (DIGA/DIPA) 11% Über alle 21 abgefragten Anwendungsgebiete und Produktgruppen hinweg erfolgt bei 53 Prozent aller Sortimente eine mindestens teilweise Einstellung des Vertriebs der Produkte in der EU. Die Zahnmedizin steht an zweiter Stelle.
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