Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 03

42 | ZAHNMEDIZIN ausreichenden Daten vor, um die chirurgische Entfernung oder den Erhalt asymptomatischer, impaktierter Weisheitszähne zu unterstützen. Zwar gibt es Hinweise, dass das Belassen langfristig das Risiko einer Parodontitis bei den benachbarten zweiten Molaren erhöhen kann, aber diese sind von geringer Evidenz. Daher sollte individuell und im Konsens mit dem Patienten entschieden werden. Falls das Belassen der Zähne präferiert wird, sollten diese regelmäßig klinisch beurteilt werden, um Komplikationen zu vermeiden [Ghaeminia et al., 2016]. Komplikationen Komplikationen der operativen Weisheitszahnentfernung sind neben Schmerzen, Schwellungen, Blutungen, Nachblutungen, Wundheilungsstörungen, perioperativen und anästhesiologischen Komplikationen vor allem die Schädigung von Nachbarstrukturen: einerseits die Schädigung der zweiten Molaren, mögliche Kieferfrakturen, die Eröffnung des Sinus maxillaris sowie die Schädigung des N. alveolaris inferior [DGMKG, 2019; Lim et al., 2012; McGrath et al., 2003]. Bei nachgewiesener röntgenologisch enger Lagebeziehung der Wurzeln zum Canalis mandibularis kann es in bis zu 20 Prozent der Fälle zu temporären und in ein bis vier Prozent zu permanenten Sensibilitätsstörungen kommen [Renton, 2012]. Dabei sind besonders ältere Patienten mit impaktierten Weisheitszähnen und einer Exposition des Nervs gefährdet [Leung & Cheung, 2011]. Auch der N. lingualis kann verletzt werden (in 0,1 bis 22 Prozent der Fälle [Leung & Cheung, 2011]), insbesondere bei lingualen Lappenplastiken, lingualen Split-Techniken und sehr tief verlagerten Weisheitszähnen [Chuang et al., 2007; Leung & Cheung, 2011]. Die häufigste Komplikation stellt die postoperative Alveolitis/Wundinfektion dar, die in fünf bis zehn Prozent der Fälle auftritt [Blondeau & Daniel, 2007; Bui et al., 2003; Sisk et al., 1986; Voegelin et al., 2008]. Alternativen Zur differenzialtherapeutischen Entscheidungsfindung bietet die Leitlinie zur operativen Entfernung von Weisheitszähnen neben der konventionellen Methode auch Alternativen. Einerseits kann bei enger Lagebeziehung zum Canalis mandibularis eine Koronektomie durchgeführt werden, andererseits kann mit Piezochirurgie gearbeitet werden. Lokalanästhesie oder Intubationsnarkose? Allgemein können Weisheitszähne ambulant in Lokalanästhesie entfernt werden. Im Hinblick auf die allgemeine und spezielle Anamnese, die Compliance des Patienten und nach präoperativer Risikostratifizierung empfiehlt sich jedoch nicht selten eine Intubationsnarkose. Diese kann entweder ambulant durchgeführt werden oder in individuellen Fällen bei anamnestisch vorerkrankten Patienten oder in besonderen Risikosituationen auch stationär [DGMKG, 2019]. Eine perioperative, antibiotische Prophylaxe kann erwogen werden, wird aber nicht in allen Fällen empfohlen und oft kontrovers diskutiert. Im Hinblick auf verminderte Wundinfektionen, Alveolitis und Osteitis zeigte sie jedoch positive Aspekte [Marcussen et al., 2016; Ramos et al., 2016]. Perioperativ sollten zur Schwellungsprophylaxe nichtsteroidale Antirheumatika oder Glukokortikoide verwendet werden, die postoperativ zudem den Analgetikabedarf reduzieren [Gutwald et al., 2019]. Im vorliegenden Fallbeispiel sollten die unteren Weisheitszähne aufgrund der perikoronaren Aufhellung, der mesialen Kippung mit Risiko der Schädigung der zweiten Molaren und des Engstands entfernt werden. Eine kieferorthopädische Einstellung ist nicht möglich und eine regelrechte Einstellung in die Zahnreihe nicht zu erwarten. Im Oberkiefer besteht ebenfalls ein Engstand, der insbesondere durch die Doppelanlage 19 verschlechtert werden könnte. Zudem besteht auf beiden Seiten eine enge Lagebeziehung zur Wurzel der zweiten Molaren und dementsprechend ein Risiko der Resorption. Die Indikation zur chirurgischen Entfernung in Intubationsnarkose wurde im Konsens mit dem Patienten und seinem Vater bei ausgedehntem Wundgebiet und der Gefahr der Verlagerung der Oberkiefer-Weisheitszähne in die Kieferhöhle sowie der Nervschädigung im Unterkiefer gestellt. Die verschiedenen Techniken wurden diskutiert und es wurde über die Alternativtechnik der Koronektomie im Fall des intraradikulären Nerv-Verlaufs Regio 48 aufgeklärt, wozu sich der Patient schließlich auch entschied. So wurden eine operative Entfernung der Zähne 18, 19a, 19b, 28, 29, 38 und eine Koronektomie 48 in Intubationsnarkose mit stationärem Aufenthalt bei ausgedehntem Wundgebiet, erwartbarer Eröffnung des Sinus maxillaris beidseits und einem Risiko des Nervschadens beidseits mit dem Patienten konsentiert und durchgeführt. Durchführung der konventionellen Extraktion Allgemein kann eine präemptive Analgesie in Form einer präoperativen Gabe von 400-600 mg Ibuprofen eine Stunde vor dem Eingriff verabreicht werden, was sich positiv auf das Schmerzempfinden und den Bedarf postoperativ auswirken kann [Gutwald et al., 2019]. Zu Beginn des Eingriffs kann eine Lokalanästhesie durchgeführt werden. Bei dieser kommen entweder eine Oberflächenanästhesie, eine Infiltrationsanästhesie, eine Leizm114 Nr. 03, 01.02.2024, (144) Abb. 8: Bildung Mukoperiostlappen, Freilegung des Knochens sowie der Zahnkrone mittels Kugel-Fräse Fotos: Saskia-Vanessa Schröger

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