Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 03

ZAHNMEDIZIN | 45 bereaktionen und mikrobielle Akkumulation hervorrufen und sich positiv auf die Wundheilung auswirken. Negativ wirken sich Seide-Fäden aus, da sie Entzündungsreaktionen auslösen und eine Affinität zur mikrobiellen Adhärenz zeigen [Dragovic et al., 2020; Faris et al., 2022]. Bei asymptomatischen, impaktierten Weisheitszähnen muss keine Drainage eingelegt werden. Bei teilretinierten Zähnen, bei denen auch nach der Entfernung ein Risiko der Wundinfektion besteht, kann jedoch eine Drainage zum Abfluss von Wundsekret eingelegt werden [Gutwald et al., 2019; Petronis et al., 2020]. Die Koronektomie als Alternative Im röntgenologischen Fallbeispiel wurde die Koronektomie bereits als Alternativtherapie bei sehr enger Lagebeziehung zum N. alveolaris inferior erwähnt. Bei dem dargestellten intraradikulären Verlauf des Nervs in Regio 48 wächst die Gefahr einer Nervschädigung im Zuge der konventionellen Extraktion. Um dieses Risiko zu vermeiden, wurde im Konsens mit dem Patienten die Option der Koronektomie gewählt. Diese Technik bezeichnet die selektive Entfernung der Krone mit dem gesamten Schmelzanteil bei gleichzeitigem Belassen der Wurzeln in situ, ohne direkt oder indirekt den Nerv zu schädigen und dabei dauerhafte Sensibilitätsstörungen zu vermeiden. Die Koronektomie wurde bereits 1989 als Alternativtherapie zur nervnahen Weisheitszahnentfernung durch Knutsson et al. beschrieben, geriet dann etwas in Vergessenheit und erlebt aktuell eine Art Renaissance [Knutsson et al., 1989; Wolf & Renton, 2016]. Sie stellt eine geeignete, von der Leitlinie zur operativen Weisheitszahnentfernung unterstützte Therapieoption zum Schutz des N. alveolaris inferior bei enger Lagebeziehung zu retinierten oder impaktierten Zähnen dar [DGMKG, 2019; Brauer et al., 2015]. Beachtet werden muss dabei, dass die Methodik nur in Ausnahmefällen – wie im vorgestellten Fallbeispiel – bei hohem Risiko einer Nervschädigung und nur nach ausführlicher Aufklärung des Patienten angewandt werden sollte. Da die Koronektomie die klassische Weisheitszahnentfernung nicht ersetzen sollte, muss die Indikation streng gestellt werden. Denn langzeitige Folgen des zurückgelassenen Wurzelblocks im Hinblick auf eine mögliche spätere Bestrahlung, eine antiresorptive Behandlung oder eine therapeutische Immunsuppression über einen Zeitraum von fünf Jahren hinaus sind bislang nur unzureichend untersucht [DGMKG, 2019]. Kontraindikationen stellen tief kariös zerstörte Weisheitszähne, periapikale Pathologien, systemische Erkrankungen, Immunsuppression, eine Antiresorptiva-Therapie und eine horizontale Verlagerung dar [Hatano et al., 2009; Wolf & Renton, 2016]. Postoperative Komplikationen werden ähnlich zur klassischen Zahnextraktion eingeschätzt [Leung & Cheung, 2009]. Die Inzidenz von Alveolitis und Sensibilitätsstörungen wird nach einer Koronektomie jedoch als geringer als nach der konventionellen Weisheitszahnentfernung bewertet [CerveraEspert et al., 2016]. Eines der Hauptrisiken besteht in der Migration des Wurzelblocks, die in den ersten zwölf Monaten häufig ist und dessen Entfernung einen Zweiteingriff notwendig macht. Um die Migration rechtzeitig zu erkennen, eignen sich radiologische Verlaufskontrollen [Renton, 2012; Wolf & Renton, 2016]. Die Vorgehensweise ähnelt der konventionellen Weisheitszahnentfernung im Unterkiefer. Zunächst wird ein Mukoperiostlappen gebildet und die Zahnkrone freigelegt. An der größten Zirkumferenz wird diese mittels Lindemann-Fräse unter ständiger Wasserkühlung und anschließend mithilfe eines Bein´schen Hebels abgetrennt. Dabei sollte der Wurzelblock nicht anluxiert werden, da er sonst aufgrund eines erhöhten Infektionsrisikos entfernt werden muss. Alle Schmelzanteile werden entfernt, der verbleibende Wurzelblock und die Knochenkanten geglättet (Abbildung 16). Auf eine weiAbb. 15: Prüfung MAV mittels Bowman-Sonde und bei negativer Testung adaptierender Wundverschluss Abb. 16: Beispiele für eine Koronektomie Regio 48, rechts klinisches Bild zum oben genannten Fallbeispiel zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (147) Fotos: Saskia-Vanessa Schröger

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