Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 03

54 | POLITIK ERWEITERTE BEFUGNISSE DER KRANKENKASSEN DURCH DAS GDNG Eine neue Form der Übergriffigkeit Das kürzlich verabschiedete Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) enthält eine Neuerung: Kranken- und Pflegekassen werden berechtigt, die Daten ihrer Versicherten auszuwerten und diese bei Verdacht auf bestimmte Erkrankungen zu kontaktieren. Keine gute Idee, finden die Heilberufe. Den Kassen fehle dafür die medizinische Kompetenz. Verbraucher- und Datenschützer warnen vor Diskriminierung. Konkret macht sich die Kritik am GDNG-Paragrafen 25b fest. Er trägt die Überschrift „Datengestützte Erkennung individueller Gesundheitsrisiken durch die Kranken- und Pflegekassen“ und soll den Gesundheitsschutz verbessern. Dahinter steckt die Idee, dass die Analyse von Versichertendaten Hinweise auf schwere Erkrankungen wie Krebs liefern kann oder aber auf Arzneimittelunverträglichkeiten und Impflücken. In solchen Fällen sollen die Kassen ihre Versicherten künftig direkt ansprechen dürfen, um ihnen weitere Schritte zu empfehlen, zum Beispiel einen Besuch beimArzt. Vor der Verabschiedung des GDNG im Bundestag am 14. Dezember 2023 hatten Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) gefordert, Paragraf 25b ersatzlos zu streichen. Die Intention hinter der Regelung sei zwar anerkennenswert, aber: „Da allein auf datengestützten Auswertungen ergehende Empfehlungen ohne medizinisches Korrektiv fehleranfällig sein können und wegen ihrer weitreichenden Wirkung möglicherweise die Versicherten verunsichern, müssen solche Auswertungen zwingend vor Aussprache einer Empfehlung durch einen approbierten (Zahn)Mediziner auf ihre Plausibilität überprüft werden.“ Aus Sicht der Berufsvertretungen ist zudem das Vertrauen der Patienten in ihre Zahnärztin oder ihren Zahnarzt in Gefahr, wenn aus deren Sicht – der Empfehlung der Krankenkasse zum Trotz – kein Handlungsbedarf besteht. Die Leistungserbringer könnten sich in dem Dilemma wiederfinden, dass Patientinnen und Patienten die empfohlene Leistung dennoch einfordern. Dann würden „Leistungen zur Beruhigung der Versicherten und zur Vermeidung eines seitens der Versicherten in Aussicht gestellten Praxiswechsels bei Nichtbehandlung“ denkbar, die aus medizinischer Sicht nicht notwendig sind. Sind die Daten gut genug? Auch die Bundesärztekammer (BÄK) hat Vorbehalte. Vor der Verabschiedung des Gesetzes gab sie zu bedenken, dass die Empfehlungen der Krankenund Pflegekassen auf unbereinigten Abrechnungsdaten basieren und daher von der Qualität nicht ausreichend seien. „Eine Ableitung der Morbidität eines Patienten ist mit Abrechnungsdaten nur unzureichend möglich. Das liegt daran, dass für Abrechnungszwecke oftmals Details einer mit ICD-10 kodierten Diagnose entfallen können, weil sie für die Verrechnung einer Leistung obsolet sind oder sich Krankheitsbilder nicht exakt und abgrenzungsfrei mit diesem Code-System beschreiben lassen“, erklärte die BÄK auf unsere Nachfrage. Auf eine ähnliche Problematik habe man auch schon im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) hingewiesen: „In die ePA eines Patienten können die Krankenkassen die ihnen vorliegenden Abrechnungsinformationen einspielen. Auch hier haben wir Rückmeldungen von ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, dass dies zur Verwirrung beziehungsweise Verunsicherung bei Patienten und ihren behandelnden Ärzten führt, weil die festgestellten ärztlichen Diagnosen nicht wortgleich erkennbar sind und Falschdiagnosen bis hin zu Abrechnungsbetrug vermutet wird. Ein vertrauensvolles Patienten-Arzt-Verhältnis wird dadurch aus unserer Sicht beeinträchtigt.“ Die BÄK hätte es sinnvoller gefunden, zunächst in Pilotprojekten zu evaluieren, ob automatisierte Datenauswertungen den Gesundheitsschutz tatsächlich, wie angedacht, verbessern können. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) weist die Kritik zurück. Paragraf 25b sehe keine medizinische Diagnosestellung durch die Kranken- und Pflegekassen vor, teilte eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage der zm Anfang Dezember mit. Wenn sich auf Basis der Abrechnungsdaten jedoch Anzeichen für das mögliche Vorliegen einer seltenen Erkrankung oder einer schwerwiegenden Gesundheitsgefährdung ergeben, stehe den Kassen nun eine Erweiterung ihrer bereits gesetzlich geregelten Aufgabe, Versicherte zu beraten und gezielt zu informieren, zur Verfügung. „Die ärztliche Behandlungsfreiheit und die Wahlfreiheit des Versicherten wird nicht eingeschränkt. Auch die Kranken- und Pflegekassen haben kein Interesse daran, ihre Versicherten durch ungeeignete oder unbegründete Hinweise zu verunsichern und dadurch die Inanspruchnahme unnötiger Leistungen zu verursachen.“ zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (156) Allein auf Datenanalysen gestützte Empfehlungen ohne medizinisches Korrektiv sind fehleranfällig. Aus der Stellungnahme von KZBV und BZÄK zum GDNG

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