zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (160) 58 | PRAXIS unsere eigenen Erwartungen durch das Gehörte. Es kommen keine neuen Informationen dazu. Dieses Downloaden wenden wir unbewusst in Alltags- und Routinesituationen an, um uns vor einer Informationsüberflutung zu schützen. Dabei sind wir ganz auf unsere eigene Welt konzentriert. Zum Beispiel haben Sie in der Frühbesprechung festgelegt, welcher Patient in welches Behandlungszimmer gesetzt wird. Nun kommt Ihre Mitarbeiterin und sagt: „Patient XY sitzt in Zimmer 1!“ Sie laden die Information herunter, die Sie auch erwartet haben. Das faktische Zuhören: Dabei gleichen wir unser Wissen mit neuen Informationen ab. Wir filtern die Unterschiede heraus zwischen dem, was wir hören, und dem, was wir bereits über das Thema wissen. Der Fokus liegt ganz auf den neuen Informationen. Faktisches Zuhören wenden wir etwa bei Fortbildungen an. Es ist Voraussetzung für jeglichen Wissenszuwachs. Die innere Bereitschaft dazulernen zu wollen, ein „open mind“, bildet die Basis für faktisches Zuhören. Das aktive oder empathische Zuhören: Diese Form des Zuhörens geht auf den Psychologen und Psychotherapeuten Carl R. Rogers zurück [Rogers, 1985]. Ende der 1950erJahre entwickelte er in den USA sein „Klienten-zentriertes Zuhören“ mit dem Ziel, Vertrauen beim Patienten aufzubauen und ihn darin zu unterstützen, eigene Lösungen für seine Probleme zu finden. Beim aktiven Zuhören kommt dem Zuhörenden eine zentrale, aktive Rolle zu. Durch den Einsatz professioneller Gesprächstechniken – wie Reflektieren (Wiederholen des Gesagten), Paraphrasieren (Wiedergabe oder Zusammenfassen des Gesagten mit eigenen Worten), gezieltes Fragen und Senden von Aufmerksamkeitssignalen (zustimmendes Nicken und Laute wie Aha, hmm, ja etc.) – signalisieren wir unserem Gesprächspartner, dass wir mit unserer ganzen Aufmerksamkeit bei ihm sind und uns um Verständnis bemühen. Beim aktiven Zuhören bekommen wir Zugang zu den Erwartungen, Erfahrungen, Gefühlen und Meinungen unseres Gegenübers. Der Zuhörende erfährt mehr als die reine Sachinformation, er hört „zwischen den Zeilen“. Aktives Zuhören eignet sich besonders gut für Erstberatungen von Schmerzpatienten, für Patienten mit einem umfangreichen Behandlungswunsch, für Mitarbeitergespräche oder im Beschwerdemanagement. Damit aktives Zuhören gelingen kann, ist eine sehr offene und wertfreie innere Haltung, ein „open heart“ beim Zuhörer notwendig. Das generative oder schöpferische Zuhören: Bei dieser Form des Zuhörens sollen beim Sprechenden neue Ideen und Gedanken entstehen. Damit das funktioniert, benötigt der Redner eine entspannte, offene Atmosphäre. Der Zuhörende nimmt sich vollständig zurück und gibt dem anderen möglichst viel Raum für seine Worte. Das generative Zuhören kann nur gelingen, wenn der Zuhörende seine eigenen Ideen und Lösungsansätze zurückstellt und dem Sprechenden wertfrei und aufmerksam begegnet. Scharmer beschreibt diese innere Haltung als „open will“, also als Wille, neue Ideen und Lösungsansätze zu fördern und zuzulassen. In der Praxis eignet sich diese Form des Zuhörens gut für Teambesprechungen und immer dann, wenn Lösungen und neue Ideen gefragt sind, oder auch für Fallbesprechungen unter Kollegen. Der stille Zuhörer ist der heimliche Gewinner Alle diese vier Kategorien des Zuhörens sind wichtig im Umgang mit Patienten und Mitarbeitenden. Um empathisch und generativ zuhören zu können, braucht man etwas Übung. Trainieren Sie diese Technik in privaten Unterhaltungen, Sie werden überrascht sein, was Sie alles zu hören bekommen. Da wir hörend geboren werden, können wir „nicht nicht hören“, so wie wir auch „nicht nicht kommunizieren" können“. Zuhören dagegen ist ein aktiver Prozess, der das rein neurologische Hörvermögen voraussetzt. Es hat immer eines zum Ziel: ein Verständnis dessen zu erlangen, was gesagt wurde. Wer aufmerksam zuhört, bekommt neue Informationen und lernt von und vor allem etwas über den anderen. Zuhören hat bei uns keine Tradition und damit kein hohes Ansehen in der Gesellschaft. Dabei ist der stille Zuhörer der heimliche Gewinner. Der Redner gibt sein Wissen von sich, der Zuhörer sammelt es ein! ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. KLEINER „ZUHÖR-KNIGGE“ Schauen Sie Ihren Gesprächspartner an. Nehmen Sie eine wertfreie innere Haltung ein. Passen Sie sich dem Rhythmus des Sprechenden an. Lassen Sie Pausen zu, für beide Seiten. Unterbrechen Sie nach Möglichkeit nicht. Wenn doch, dann durch gezieltes Fragen. Schaffen Sie eine möglichst ruhige Atmosphäre. Foto: dagreez – stock.adobe.com
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=