Das Bundesgesundheitsministerium drückt bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen derzeit bekanntermaßen auf die Tube. Ziel soll es sein, im europäischen Vergleich aufzuholen und das deutsche Gesundheitswesen zukunftsfest zu machen. Start des Prozesses war im März 2023 mit der Vorlage der Digitalisierungsstrategie. Seit Sommer vergangenen Jahres laufen die Gesetzgebungsverfahren für das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Inkrafttreten sollen beide Gesetze im ersten Quartal 2024. Außerdem ist ein weiteres Gesetz zur künftigen Ausgestaltung der gematik als Digitalagentur geplant. Mit Volldampf in die digitale Zukunft also? Ja, aber viel zu machen, bedeutet noch lange nicht, es auch gut zu machen. Neben einigen Lichtblicken – wie zum Beispiel der stärkeren Integration der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezepts in den Versorgungsalltag oder dem Fokus auf einer besseren Interoperabilität sowie auf besseren und mehr Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung – gibt es viel Schatten. Zunächst einmal werden wie in anderen Bereichen auch die Leistungserbringer, also diejenigen, die tagtäglich mit den digitalen Anwendungen arbeiten müssen, in der Planung und Umsetzung möglichst weit außen vor gelassen. So hat bei der Entwicklung der Digitalisierungsstrategie keine wirkliche Beteiligung der Vertragszahnärzteschaft stattgefunden. Die KZBV hatte lediglich die Möglichkeit, an einem OnlineFragebogen teilzunehmen. Besonders negativ ist, dass das noch in der Digitalisierungsstrategie hervorgehobene Ziel der Nutzerorientierung im Gesetzgebungsverfahren zu kurz kommt, weil es an den entsprechenden regulatorischen Vorschriften mangelt. Gute Ansätze laufen damit insLeere. Anstatt den Fokus auf praxistaugliche Anwendungen, auf Erprobungen und Tests zu legen, werden die Praxen mit Sanktionen und allerlei Pflichten gedrängt, die Anwendungen zu nutzen. Statt Nutzen entstehen für die Praxen so vor allem mehr Bürokratie und Aufwendungen für die Information ihrer Patienten. Das Anliegen, den Patienten mit besseren Daten besser helfen zu können, wird ins Gegenteil verkehrt, wenn immer mehr Verwaltungsaufgaben auf die Praxen übertragen werden und das Vertrauensverhältnis zu den Patienten ins Wanken gerät, weil immer mehr Daten erhoben werden sollen. Ein gutes Beispiel für gut gemeinte, aber schlecht gemachte Politik ist auch der geplante Aufbau eines Forschungsdatenzentrums, um Gesundheitsdaten besser verknüpfen und nutzbar machen zu können. Das ist aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. Aber leider ist Vieles nicht geklärt. So gibt es keine eindeutigen regulatorischen Vorgaben, die eine Forschung aus kommerziellen Marktzwecken verlässlich ausschließen. Das muss nachgebessert werden, damit die Forschungsdaten ausschließlich für die Verbesserung der Versorgung genutzt werden. Auch die automatisierte Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch Kranken- und Pflegekassen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes der Versicherten ist kritisch zu sehen, weil die zugrundeliegenden Methoden unklar sind und Versicherte in zweierlei Hinsicht verunsichert werden könnten. Wir müssen leider festhalten, dass das allgemeine Misstrauen des BMG gegenüber der Selbstverwaltung in der Gesamtschau auch in den Digitalisierungsplänen zum Ausdruck kommt. Anstelle von Beteiligung stehen Bevormundung und – mit dem geplanten Umbau der gematik – der Ausschluss von der Planung der Prozesse. Man stellt sich immer wieder verwundert die Frage, warum die nicht zu knapp vorhandene digitale Kompetenz der Zahnärzteschaft seitens der Politik nicht schlau genutzt wird, um wirklich praxisnahe Prozesse zu etablieren, die sich gut anwenden lassen und den Patienten einen wirklichen Nutzen bringen. Stattdessen wird versucht, Prozesse top-down durchzusetzen. Dabei bleibt leider viel innovatives Potenzial auf der Strecke, das wir für eine wirklich nachhaltige digitale Zukunftsfähigkeit dringend brauchen. Dr. Karl-Georg Pochhammer Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Lesen Sie mehr zum Thema E-Rezept auf Seite 8. Gut machen, nicht nur viel Foto: Jan Knoff 6 | LEITARTIKEL
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