Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 03

ZAHNMEDIZIN | 67 Material und Methode Die Präventionsstudie fand in Stockholm statt, wo der Trinkwasserfluoridgehalt kleiner als 0,2 ppm ist. Es wurden Kinder im Alter zwischen einem Jahr und drei Jahren mit einem hohen Kariesrisiko eingeladen, an einem zweijährigen Präventionsprogramm teilzunehmen. Ziel war dabei, die Entstehung von Karies durch frühe Interventionen zu verhindern beziehungsweise die Mundgesundheit der Kinder zu verbessern. Beim ersten Besuch wurden die Eltern angewiesen, die Zähne ihrer Kinder zweimal am Tag mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta (1.000 bis 1.450 ppm) zu putzen. Die Zahnpastamenge sollte der Größe des Fingernagels der kleinen Kinder entsprechen. Bei der Hälfte der Kinder wurde zusätzlich zweimal im Jahr ein Fluoridlack (Duraphat, 22,6 mg/ml Fluorid) aufgetragen. Für die Nachbeobachtungsstudie wurde dann die Fluoroseprävalenz bei einer zufällig ausgewählten Stichprobe (774 Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren) bestimmt, zusätzlich wurden Röntgenbilder und Fotos von den Zähnen angefertigt. Für die Diagnose wurde der TF-Index angewendet. Insgesamt 454 Kinder konnten letztlich vollständig untersucht werden. Ergebnisse Es zeigte sich, dass 29,7 Prozent der Kinder fluorotische Veränderungen der Zähne aufwiesen. 26,5 Prozent hatten einen TF-Indexwert von 1, das bedeutet eine sehr milde Fluorose ohne ästhetische Beeinträchtigung. Dabei entwickelten Kinder, die zusätzlich zur Verwendung von fluoridhaltiger Zahnpasta zweimal im Jahr eine FluoridlackApplikation erhielten, nicht mehr fluorotische Veränderungen der Zähne als die Kinder, deren Zähne nur mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta geputzt wurden. Gleichzeitig konnte man jedoch auch feststellen, dass Kindern, bei denen bereits im Alter von einem Jahr die Zähne mit der empfohlenen Zahnpasta geputzt wurden, mehr fluorotische Veränderungen entwickelten, als Kinder, bei denen erst später fluoridhaltige Zahnpaste zum Einsatz kam. Die Autoren kommen dabei zu dem Schluss, dass es wichtig ist, sowohl das Alter der Kinder als auch den Fluoridgehalt der Zahnpasta beziehungsweise die Zahnpastamenge zu berücksichtigen, wenn man eine maximale Kariesprävention bei gleichzeitiger Minimierung der Fluoroseentstehung anstrebt. In diesem Zusammenhang wird auf eine andere Untersuchung hingewiesen, in der es zu einem wesentlich geringeren Fluoroserisiko kam, wenn den Kindern die Zähne nach einer Mahlzeit geputzt wurden. Fazit für die Praxis In Deutschland sollen Kinderzahnpasten einen Fluoridgehalt von 1.000 ppm nicht überschreiten. Dabei wird zunächst eine reiskorngroße Menge (bis zum zweiten Geburtstag) und anschließend eine erbsengroße Menge empfohlen. Berücksichtigt man die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung, so kann davon ausgegangen werden, dass bei Befolgung dieser Empfehlungen kein toxikologisches Risiko besteht. Insofern gibt es keine Begründung für die Empfehlung einer fluoridfreien Zahnpasta für die Kariesprävention bei kleinen Kindern. Gleichzeitig zeigt diese Untersuchung, dass die zusätzliche Applikation von Fluoridlack (2 x jährlich) bei kleinen Kindern das Fluoroserisiko nicht erhöht. Eine Ausnahme besteht möglicherweise dann, wenn die Kinder Fluoridtabletten nehmen, aber das ist in den Fluoridempfehlungen in Deutschland berücksichtigt. „ Die Studie: Kassem et al.: Extended caries prevention programme with biannual application of fluoride varnish for toddlers: prevalence of dental fluorosis at ages 7-9 years and associated factors; Acta Odontol Scand 81:368-373 (2023) zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (169) Prof. Dr. Elmar Hellwig Universitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: privat AUS DER WISSENSCHAFT In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung. Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern: Univ.-Prof. Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz FLUORIDLACK KÜNFTIG UNABHÄNGIG VOM KARIESRISIKO KASSENLEISTUNG Fluoridlack spielt eine wichtige Rolle in der Kariesprävention des Milchgebisses. Im Januar 2024 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss eine Ausweitung des Leistungsumfangs der GKV: War bislang für bestimmte Altersgruppen der Einsatz von Fluoridlack zulasten der GKV an das Kriterium des „hohen Kariesrisikos“ gekoppelt, so soll diese Voraussetzung jetzt entfallen. Künftig soll die Fluoridlackanwendung für alle Kinder bis zum sechsten Geburtstag Kassenleistung werden. Der Beschluss muss noch durch das Bundesministerium für Gesundheit bestätigt werden, ehe er in Kraft treten kann.

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