68 | POLITIK DIGITALE GESUNDHEITSANWENDUNGEN Viel Potenzial, aber nix dahinter? Zu teuer, zu laxe Zulassungsregeln: „Apps auf Rezept“ werden zwar zunehmend genutzt, ob sie sich positiv auf die Versorgung auswirken, ist zum Zeitpunkt ihrer Zulassung jedoch oftmals ungewiss. Zu diesem Ergebnis kommt der GKV-Spitzenverband in seinem dritten DiGA-Bericht, den er im Januar dem Bundestag vorlegte. Das Bundesgesundheitsministerium hingegen findet: Alles im grünen Bereich. Als DiGA definiert der Bericht „Apps oder browserbasierte Programme, die dazu dienen, Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen zu erkennen, zu überwachen, zu behandeln, zu kompensieren oder zu lindern“. Als Medizinprodukte niedriger Risikoklasse ergänzen sie die ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung. Und das in ansehnlicher Zahl, wie die Analyse des GKVSV zeigt: Über 374.000 DiGA wurden im Berichtszeitraum zwischen dem 1. September 2020 und dem 30. September 2023 in Anspruch genommen. Der Spitzenverband schlussfolgert daher, dass das Angebot zunehmend in der Versorgung ankommt. Trotzdem macht sich bei der Dachorganisation der gesetzlichen Krankenkassen mit Blick auf das Thema vor allem Ernüchterung breit. „Auch im dritten Jahr nach ihrer Einführung lösen die Gesundheits-Apps nicht ihr Versprechen ein, die gesundheitliche Versorgung grundlegend zu verbessern“, sagte Vorständin Stefanie Stoff-Ahnis anlässlich derVeröffentlichung der Bilanz. Als einen Grund führt der Evaluationsbericht die „unzureichenden Anforderungen“ des Zulassungsverfahrens an. Zum Hintergrund: Für die Prüfung einer DiGA ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig. Hier wurde 2020 ein dreimonatiges sogenanntes FastTrack-Verfahren für die Aufnahme von DiGA in den GKV-Leistungskatalog eingerichtet. In diesem Zeitraum werden die Angaben des Herstellers zu den geforderten Produkteigenschaften, etwa in den Bereichen Datenschutz und Benutzerfreundlichkeit, geprüft. Gecheckt wird dabei auch, ob ein positiver Versorgungseffekt für die Versicherten vorliegt. Bei erfolgreicher Prüfung wird die App ins DiGA-Verzeichnis des BfArM aufgenommen. Zurzeit sind 49 Anwendungen für die Verordnung in der GKV zugelassen, darunter bisher keine mit zahnmedizinischem Schwerpunkt. Die Kritik des GKV-SV am Prüfverfahren setzt beim Nutzennachweis an. Hier gilt: Kann ein Hersteller zum Zeitpunkt des Antrags den Nutzen der Anwendung nicht mithilfe von Studien nachweisen, besteht die Möglichkeit einer vorläufigen Aufnahme der DiGA zur Erprobung. Voraussetzung ist, dass die übrigen Anforderungen, etwa beim Datenschutz, erfüllt werden und eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung den zu erwartenden Versorgungseffekt bestätigt. Danach bleiben den Herstellern zwölf Monate Zeit, den Beweis der Wirksamkeit ihres Produkts zu erbringen. Gelingt das nicht, wird die Anwendung aus dem DiGA-Verzeichnis gestrichen. Dieser Prüfmodus ist aus Sicht des GKV-SV nicht streng genug und findet außerdem zu häufig Anwendung. „Von den seit Beginn des Fast-Track aufgenommenen 55 DiGA wurden lediglich zehn Anwendungen mit einem belegten Nutzen vom BfArM sofort dauerhaft in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen. 14 weitere DiGA konnten erst im Laufe ihres zweiten Erprobungsjahres dauerhaft in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen werden“, bilanziert Stoff-Ahnis. Sechs der unter Vorbehalt zugelassenen DiGA seien zudem gänzlich durchgefallen. „Damit ist festzuhalten, dass es auch nach über drei Jahren bei der Mehrzahl der DiGA nicht gelingt, einen positiven Versorgungseffekt nachzuweisen.“ Unerreichte Ansprüche ... Der GKV-SV steht mit dieser Kritik nicht allein. Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) sieht Schwächen in der derzeitigen DiGA-Bewertung. Aus seiner Sicht reicht der derzeitige Nachweis positiver Versorgungseffekte zum Teil nicht an die Ansprüche heran, zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (170) Die Gesundheits-Apps lösen noch immer nicht das Versprechen ein, die gesundheitliche Versorgung grundlegend zu verbessern. Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin GKV-Spitzenverband
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