Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 04

ZAHNMEDIZIN | 27 Knochenverlust im Bereich des Alveolarkamms mit 29bis63 Prozent (2,46– 4,56 mm) stärker ausgeprägt als der vertikale Knochenverlust mit 11bis22 Prozent (0,8–1,5 mm) [Chen et al., 2004; Van der Weijden et al., 2009; Tan et al., 2012]. Tabelle 1 zeigt die verschiedenen Typen der Implantationszeitpunkte vom traditionellen Protokoll (Typ IV) bis hin zur Sofortimplantation (Typ I), bei der in der Regel noch in derselben Sitzung inseriert wird [Hammerle et al., 2004; Mello et al., 2017; Gallucci et al., 2018; Tonetti et al., 2019]. Therapieplanung Die Planung für eine Implantattherapie sollte laut Konsens bereits beginnen, sobald die Indikation für eine Zahnextraktion mit anschließender implantologischer Versorgung besteht. Hierbei sollenPatientinnen und Patienten über die relevanten Therapiealternativen aufgeklärt werden. Zudemsoll anhand der Anamnese, der klinischen und radiologischen Befunde eine patientenindividuelle Risikoevaluation durchgeführt werden [Heydecke et al., 2012]. Diagnostik Die angeführten Empfehlungen zur Diagnostik basieren auf allgemeingültigen und in der Literatur beschriebenen notwendigen Untersuchungen, die bei der Therapieentscheidung für eine Implantatinsertion herangezogen werden. Bei Risikopatientinnen und -patienten (zum Beispiel nach Radiatio im Kopf-Halsbereich, Diabetikern, mit Immundefizienz oder unter antiresorptiver Therapie) sind gegebenenfalls zusätzliche Untersuchungen (Blutentnahme, weiterführende Bildgebung) für eine Risikobewertung notwendig. Die notwendigen Basisuntersuchungen zur Therapieentscheidung umfassen: n Anamnese n klinische Untersuchung n radiologische Bildgebung Neben dem allgemeinmedizinischen Risikoprofil muss eine Beurteilung der lokalen Ausgangssituation vor der geplanten Implantattherapie vorgenommen werden [Kan et al., 2018]. Dazu zählen: n Qualität, Quantität und Morphologie des Hartgewebes n Qualität, Quantität und Morphologie des Weichgewebes n Vorhandensein von lokalen Pathologien n Zustand der Nachbarzähne Implantationszeitpunkte Die Typen I–IV der Implantationszeitpunkte weisen jeweils unterschiedliche klinische Schwierigkeiten und Behandlungsrisiken auf. Die Auswahl hängt von individuellen patientenseitigen systemischen und lokalen Faktoren ab. Werden die jeweiligen notwendigen spezifischen Auswahlkriterien nicht erfüllt und/oder ist die Durchführung des klinischen Verfahrens von unzureichender Qualität, kann sich der gewählte Zeitpunkt negativ auf das Überleben und den Erfolg auswirken. Die Vorteile der verschiedenen Implantatinsertionsprotokolle und die damit verbundenen Risiken sollten für jeden Fall sorgfältig abgewogen werden. Spätimplantation (Typ IV) Bei der Spätimplantation erfolgt die Implantation nach frühestens vier bis sechs Monaten, um eine vollständige weich- und hartgewebliche Abheilung der Extraktionsalveole abzuwarten [Hammerle et al., 2004]. Sie weist exzellente Überlebensraten auf und ist in der Literatur mit den längsten Nachbeobachtungszeiträumen dokumentiert [Heydecke et al., 2012; Moraschini et al., 2015]. Durch die extraktionsbedingten Umbauprozesse im Bereich des Alveolarkamms kann es jedoch in dieser Zeit zu deutlichen Atrophiephänomenen kommen, die eine Augmentation zum Zeitpunkt der Implantatinsertion zwingend erforderlich machen. Dieser physiologische Abbauprozess im Bereich der Extraktionsregion ist in den ersten drei bis sechs Monaten am stärksten ausgeprägt und der Knochenverlust kann in der horizontalen Dimension 29 bis 63 Prozent und in der vertikalen 11 bis 22 Prozent betragen [Chen et al., 2004; Van der Weijden et al., 2009, Tan et al., 2012]. Eine Vielzahl von Erkrankungen beziehungsweise Therapien führt zu einer verzögerten Knochenumbau- und Knochenneubildungsrate. In diesen Fällen wird eine Spätimplantation präferiert, insbesondere um durch die Beobachtung des Heilungsprozesses nach der Zahnextraktion eine klinische Aussage über das Regenerationspotenzial der geplanten Implantatregion treffen zu können [Ullner, 2016]. Maßnahmen zum Erhalt des Alveolarkamms (ARP = Alveolar Ridge Preservation) nach der Zahnextraktion erweisen sich als effektiv hinsichtlich der Vermeidung oder Reduktion von Augmentationen bei Spätimplantationen. In der Literatur werden dafür verschiedene Techniken und Materialien erfolgreich beschrieben [Tröltzsch et al., 2020; Avila-Ortiz et al., 2019]. In einem aktuellen systematischen Review mit Metaanalyse (7 RCT und 3 CCT) zeigte sich hinsichtlich des Implantaterfolgs kein Unterschied zwischen einer Sofortimplantation und einer Spätimplanzm114 Nr. 04, 16.02.2024, (225) KONSENSBASIERTES STATEMENT 1 In der Literatur ist die Spätimplantation auch bei Vorliegen von lokalen und systemischen Risikofaktoren zum Zeitpunkt der Zahnextraktion mit hohen Implantatüberlebensraten beschrieben. starker Konsens Literatur: [Moraschini et al., 2015; Schiegnitz 2015; Beckmann 2019; Cosyn et al., 2019; Wiegner, 2021] KONSENSBASIERTE EMPFEHLUNG 3 Für die Spätimplantation ist von Bedeutung, dass es nach der Zahnextraktion zu Resorptionsvorgängen im Bereich der Alveole kommt, die patientenindividuell zu vertikalem und horizontalem Knochenverlust führen können. Wenn eine Spätimplantation aus patientenspezifischen Gründen indiziert ist, sollte ein Verfahren zur Erhaltung des Alveolarkamms (ARP = Alveolar Ridge Preservation) nach der Zahnextraktion empfohlen werden. Konsens Literatur: [Tröltzsch et al., 2020; Chen et al., 2004; Van der Weijden et al.; 2009, Tan et al., 2012; Buser et al., 2017; Avila-Ortiz et al., 2019; Atieh et al.; 2021]

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