POLITIK | 47 Skepsis kommt bei der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) auf. Für sie ist gesunde Ernährung – mit Bezug auf die Zahngesundheit – ein wichtiges Anliegen. Den Zahnärzten geht es dabei vor allem um die Reduzierung von Zucker. Vizepräsident Konstantin von Laffert weist darauf hin, dass Mitglieder der BZÄK als Sachverständige an den Diskussionsrunden des Ernährungsministeriums teilgenommen haben, bei denen auch der Minister dabei war. VonLaffert: „Wir wissen besser als viele andere, wie Zucker der Mundgesundheit und auch der Allgemeingesundheit schaden kann, insbesondere bei Kindern. Und diese Expertise bringen wir zu Gehör.“ Deshalb, so der Vizepräsident, sehe er die Ernährungsstrategie der Bundesregierung kritisch. Von Laffert: „Die meisten Aspekte in der Ernährungsstrategie sind an zahlreichen Stellen zu unkonkret und vage formuliert oder fehlen ganz. So sind die Einführung schärferer, verpflichtender Kennzeichnungsregelungen oder die Besteuerung stark zuckerhaltiger Süßgetränke – trotz wissenschaftlich nachgewiesener Wirksamkeit – nicht aufgenommen worden.“ Die Strategie der Regierung setzt auf Aufklärung. Oft seien die Bürgerinnen und Bürger mit vielfältigen, teils widersprüchlichen Informationen zur Ernährung konfrontiert, heißt es in dem Strategiepapier. Das führe zu gravierenden gesundheitlichen Folgen. Deshalb sei die Ernährungsstrategie auch vor dem Hintergrund zunehmender ernährungsmitbedingter Krankheiten entwickelt worden, schließlich seien in Deutschland mindestens 8,5 Millionen Menschen an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten von Adipositas in Deutschland belaufen sich laut einer Studie aus 2015 auf etwa 63 Milliarden Euro pro Jahr, heißt es in dem Papier weiter. Die direkten Gesundheitskosten einer zu hohen Aufnahme von Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren seien für das Jahr 2008 auf 16,8 Milliarden Euro geschätzt worden. Das entspreche sieben Prozent der gesamten Behandlungskosten in Deutschland. Unter anderem sind folgende Maßnahmen in der Ernährungsstrategie geplant: n Ein vielseitigeres Schul- und Kitaessen: Hier will die Regierung verbindliche Qualitätsstandards einführen. Es soll eine Beratung und Förderung von Schulküchen geben, Trinkwasserspender sollen zur Verfügung stehen und es soll eine Ernährungsbildung für Kinder und Erziehende geben, so der Plan. n Ein reicheres Angebot an gesunden und nachhaltigen Produkten: Es soll weniger Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten geben, heißt es in dem Papier. Ferner sollen innovative pflanzliche Produkte gefördert werden, bio-regionale Wertschöpfungsketten ausgebaut und das Lebensmittelhandwerk in der Bio-Verarbeitung unterstützt werden. n Ein gesünderes und nachhaltigeres Angebot in Kantinen will man durch aktualisierte Qualitätsstandards, eine Erhöhung des Bio-Anteils in der Außer-Haus-Verpflegung, und zm114 Nr. 04, 16.02.2024, (245) BÜRGERRAT „ERNÄHRUNG IM WANDEL“ Mitte Januar hat der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ seine Empfehlungen vorgelegt. Neun Ratschläge wurden Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übermittelt. Der Rat empfiehlt an erster Stelle, dass es täglich für alle Kinder bundesweit ein kostenfreies und gesundes Mittagessen an Kitas und Schulen geben soll, an zweiter Stelle ein staatliches Label für bewusstes Einkaufen und an dritter Stelle die verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel. Der Bürgerrat rät außerdem zu einer gesunden, ausgewogenen und angepassten Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern und Einrichtungen. Beim Thema Zuckersteuer konnte man sich Medienberichten zufolge nicht auf eine Position einigen. Die Ampelparteien hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, neue Formen des Bürgerdialogs wie Bürgerräte einzusetzen. Die 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden – als repräsentativer Querschnitt der Gesellschaft – ausgelost. Das Gutachten wird im Plenum und in den Fachausschüssen des Bundestags diskutiert, nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen entscheidet der Bundestag, wie er mit den Ergebnissen umgeht. Das BMEL begrüßte die Ergebnisse des Bürgerrats, denn es gebe „eine große Überschneidung zu den Maßnahmen der Ernährungsstrategie“. Foto: Robert Kneschke - stock.adobe.com
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