54 | ZAHNMEDIZIN fektive Behandlungsoption für irreparabel geschädigte Kiefergelenke ein. Endoprothetik im Wandel der Zeit – historische Perspektive Unter dem Begriff der Endoprothese versteht man allgemein den teilweisen oder vollständigen Ersatz von Gelenken mithilfe eines dauerhaft im Körper verbleibenden Implantats. Der Pionier der endoprothetischen Gelenkersatztechnik war Dr. Marius Nygaard SmithPeterson (1886–1953). Im Jahr 1939 beschrieb er ein Verfahren zum Ersatz der Hüftgelenkspfanne (Acetabulum) unter Verwendung von Vitallium. In den folgenden Jahren wurden sowohl die Materialzusammensetzung als auch die Operationstechniken kontinuierlich verbessert und perfektioniert. Diese Fortschritte wurden auf andere Gelenke übertragen und die endoprothetische Chirurgie entwickelte sich weiter. Die häufigsten Anwendungen von Endoprothesen sind der Ersatz von Hüft- und Kniegelenken. Allein im Jahr 2022 wurden in Deutschland insgesamt 255.886 künstliche Hüft- und 199.527 künstliche Kniegelenke erfolgreich implantiert [gbe-bund.de, 2023]. Die historische Entwicklung beim Kiefergelenkersatz spiegelt eine bedeutende Evolution in der chirurgischen Praxis und den Materialwissenschaften wider. Ein Durchbruch gelang, als John Murray Carnochan im Jahr 1840 die interpositionelle Arthroplastik einführte und dabei einen Holzblock zur Behandlung der Kiefergelenksankylose verwendete [Mercuri, 2019]. Die Einführung von Silikonelastomeren im 20. Jahrhundert markierte eine neue Ära aufgrund ihrer vermeintlichen Biokompatibilität und Stabilität [Mercuri, 2019]. Kiehn wandte Prinzipien der Hüftendoprothetik auf das Kiefergelenk an, indem er eine Vitallium-Mandibula-Fossaplatte und eine Vitalliummodifizierte Cargill-Hahn-Ramus/ Kondylen-Prothese verwendete [Kiehn et al., 1979]. Diese Kombination zeigte in einer Studie mit 23 von 27 erfolgreichen Eingriffen vielversprechende Ergebnisse. Tierstudien von Kummoona replizierten Kiehns Arbeit und demonstrierten die Biokompatibilität dieser Implantate [Kummoona, 1978]. Kent, Block und Homsy brachten die Kiefergelenk-Endoprothetik mit der Einführung von Dacron/Proplast-Teflon und späteren UHMWPE-Fossa-Komponenten (ultra-high-molecular-weight polyethylene) weiter voran. Ihre Prothesen erreichten eine hohe Erfolgsquote in einer Nachuntersuchung von 192 Patienten [Kent et al., 1986]. Insgesamt war der Weg der alloplastischen Implantate in der Kiefergelenkchirurgie jedoch von erheblichen Herausforderungen geprägt, insbesondere durch Fehlschläge mit verschiedenen Materialien, einschließlich Polytetrafluorethylen, Silikongummi und minderwertigen metallischen Implantaten. Diese Misserfolge waren teilweise auf das Übersehen wichtiger Lektionen aus früheren orthopädischen Versuchen zurückzuführen. In den vergangenen 25 Jahren wurde jedoch ein bemerkenswerter Fortschritt bei der Überwindung dieser Herausforderungen erzielt. Dieser Fortschritt wurde durch streng konzipierte Vor-Markt-Zulassungsstudien für patientenspezifische und serienmäßige Kiefergelenk-Totalendoprothesen vorangetrieben und spielte eine entscheidende Rolle bei der Optimierung des Implantatdesigns und der Materialauswahl. Ende des 20. Jahrhunderts entwickelten Sonnenburg und Sonnenburg eine Kiefergelenkendoprothese mit einer Chrom-Kobalt-Molybdän-Ramus-Kondylen-Komponente und einer UHMWPE-Fossa, ähnlich den orthopädischen Gelenkprothesen [Sonnenburg and Sonnenburg, 1985; 1990]. Das wachsende Interesse am alloplastischen Kiefergelenkersatz führte zur FDA-Zulassung von patientenspezifischen CAD/CAM-Prothesen durch TMJ Concepts Inc., Camarillo, Kalifornien, USA; heute Stryker Corporation, Michigan, USA, im Jahr 1997 und der serienmäßigen Biomet Microfixation TMJ TJR-Prothese, was eine neue Ära in der personalisierten KiefergelenkRekonstruktion einläutete [Mercuri et al., 1995]. Konfektioniert versus patientenspezifisch Grundsätzlich unterscheidet man zwischen konfektionierten („Stock“)-Prothesen, die in unterschiedlichen Größen erhältlich sind und eine intraoperative Anpassung der anatomischen Knochenanlagerungsflächen erforderlich machen, und sogenannten „cuszm114 Nr. 04, 16.02.2024, (252) Abb. 3: Situation nach Entfernung der Kiefergelenkendoprothesen-Sonderanfertigung acht Monate postoperativ: Deutlich erkennt man den nicht-ausgeheilten Osteolyseprozess im Bereich der Schädelbasis / Ostemporale. A: CT-Corornarschnitt, B und C: 3-D-Rekonstruktion der radiologischen Daten ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Fotos: Universitätsmedizin Mainz
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