Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 04

zm114 Nr. 04, 16.02.2024, (254) 56 | ZAHNMEDIZIN zu verbessern, den Progress von Kiefergelenkerkrankungen zu verzögern oder zu verhindern und Schmerzen zu reduzieren. Primäre Indikationen für die Therapie des Kiefergelenks umfassen fortgeschrittene Kiefergelenkdestruktionen im Endstadium, wie Osteoarthritis und Osteoarthrose (Wilkes-Stadien V und VI), verursacht durch degenerative Prozesse, posttraumatische Zustände und multiple Voroperationen einschließlich vorangegangenem Gelenkersatz. Darüber hinaus beinhalten sie schwere entzündliche Erkrankungen, die das Kiefergelenk zerstören (zum Beispiel rheumatoide Arthritis, PsoriasisArthropathie), die therapierefraktäre Ankylose des Kiefergelenks sowie kongenitale oder erworbene Aplasien, Hypoplasien oder Deformationen der Kiefergelenke und Neoplasien oder Raumforderungen, die die Funktionalität des Kiefergelenks beeinträchtigen. Sekundäre Indikationen für die Therapie des Kiefergelenks beinhalten Okklusionsstörungen, die weder konservativ noch mit konventionellen chirurgischen Verfahren (wie autologem Kiefergelenkersatz oder Umstellungsoperationen) effektiv behandelt werden können. Ebenso gelten therapierefraktäre Schmerzen und chronische, funktionsassoziierte Beschwerden des Kiefergelenks sowie eine eingeschränkte Mundöffnung, die zu Problemen bei der Nahrungsaufnahme, zu Kommunikationseinschränkungen und zu Atemwegsobstruktionen führen können, als sekundäre Indikationen [AWMF, 2020]. Absolute Kontraindikationen für den alloplastischen Kiefergelenkersatz bestehen bei einem unzureichenden Verständnis des Patienten über die Bedeutung, mögliche Einschränkungen und Komplikationen der Therapie, einer bekannten Allergie gegen Prothesenmaterialien, akuten Infektionen, Osteomyelitiden und nicht kontrollierten Malignomen im OP-Gebiet. Relative Kontraindikationen beinhalten nicht adäquat therapierte systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus und rheumatoide Arthritis, schwere Immunschwäche, Nikotinabusus in der perioperativen Phase sowie unzureichende Qualität und Quantität des Knochens als Lager für die Prothese [AWMF, 2020]. Komplikationen nach einem alloplastischen Kiefergelenkersatz treten in variierenden Häufigkeiten auf, mit Narbenbildung und temporären Schädigungen des Nervus facialis als häufigste, jeweils mit circa 23 Prozent und 15 Prozent, wobei permanente Nervschäden mit vier Prozent selten und heterotope Knochenformationen mit elf Prozent vergleichsweise häufig sind. Als weitere Komplikationen gelten hypersensitivitätsvermittelte Materialunverträglichkeiten mit Knochendestruktionen sowie Prothesendislokationen und -versagen, mit Raten zwischen fünf und elf Prozent [AWMF, 2020]. Bewertung des vorgestellten Falls Über die Komplikation einer Knochenerosion in Richtung der Schädelbasis (wie im aufgeführten Fallbericht) gibt es nur wenige Literaturangaben, interessanterweise vornehmlich im Zusammenhang mit dem Auftreten von Fremdkörperriesenzellgranulomen als Folge einer immunologischen Reaktion auf Prothesenmaterialien wie VITEK / Proplast-Teflon, nicht jedoch infolge der Verwendung von Prothesen aus Titan oder Kobalt-Chrom-Molybdän [Berarducci et al., 1990; Chuong und Piper, 1992; Smith et al., 1993; Felstead und Revington, 2011]. Dies ist am ehesten darauf zurückzuführen, dass kein in Deutschland oder den USA zugelassenes Kiefergelenk-Endoprothesensystem auf dem Markt verfügbar ist, das den isolierten Langzeiteinsatz einer Ramus-/Kondyluskomponente aus den entsprechenden Materialien ohne eine entsprechende Fossakomponente vorsieht, oder als solche in der isolierten Verwendung zugelassen wurde. Zur Anwendung von Gelenkkomponenten aus Zirkoniumdioxid als Grundgerüstwerkstoff einer der oben genannten Prothesenkomponenten besteht bisher keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz. Somit kann deren Einsatz als patientenindividuelles Implantat im Sinne einer Sonderanfertigung ohne CE-Konformitätskennzeichnung (diese ist entsprechend Artikel 20 (1) der EU-Medizinprodukteverordnung/ MDR hierbei nicht erforderlich) aufAbb. 5: Postoperativer Zustand nach zwei Monaten: Die Patientin ist beschwerdefrei und hat eine Mundöffnung von 30 mm SKD-max. bei Normokklusion (A und B).

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