Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 04

62 | ZAHNMEDIZIN Bereits 2012 erschien die heute 54-Jährige mit akuten Beschwerden einer Kieferklemme in unserer Praxis. Wir mussten seinerzeit notfallmäßig eine manuelle Diskusreposition mit Normalisierung der maximalen Schneidekantendistanz (SKD) von 25 mm auf 42 mm durchführen. Die nachfolgend eingeleitete Schienentherapie mit begleitender Physiotherapie führte innerhalb von sechs Wochen zu einer vollständigen Remission der Beschwerden. Klinisch verblieben lediglich ein reziprokes Knacken in beiden Kiefergelenken im letzten Drittel der maximalen Unterkieferkieferöffnung, Retrusion und ein Schmerzdruckpunkt über beiden Kiefergelenken. Zehn Jahre später erschien die Patientin erneut, jetzt allerdings wegen einer ausgeprägten Tagesschläfrigkeit. Ein schlafmedizinischer Kollege hatte als Ursache dieser Beschwerden ein obstruktives Schlafapnoesyndrom diagnostiziert und die Frau in unsere Sprechstunde für zahnärztliche Schlafmedizin überwiesen. Die Indikation für eine UPS erfolgte als Zweitlinientherapie auf Überweisung nach EBM 30902 und ermöglichte im November 2022 die Einleitung der UPS-Therapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung [GBA, 2021]. Die Schlaflabordiagnostik des Kollegen hatte einen ApnoeHypnoe-Index (AHI) von 17 und einen Oxygen-Desaturations-Index (ODI) von 14 Episoden pro Stunde ergeben und wies auf ein Rückenlage-betontes obstruktives Schlafapnoesyndrom hin. Begleiterkrankungen lagen nicht vor. Befunderhebung, Nutzen-Risikoabwägung und Aufklärung Die vom Zuweiser übermittelten polysomnografischen Untersuchungsbefunde wurden in unseren Befunddokumentationsbogen (BD) übernommen. Zur Befunddokumentation und -auswertung verwenden wir standardmäßig den in Abbildung 1 gezeigten BD, der einen schnellen Überblick über die entscheidungsrelevanten Befunde und Ergebnisse ermöglicht und durch den gesamten Behandlungsablauf führt. Zur Entscheidung über die Durchführung der UPS-Therapie oder über vorbereitende Maßnahmen erfolgte eine Nutzen-Risiko-Bewertung nach dem Vektordiagramm Risikoprofil (RP) (Abbildung 1) [Bernhardt et al., 2022; Schlieper, 2022]. Damit lassen sich die Prädiktoren, mit denen eine Aussage über das Risiko in den drei Bereichen Parodontologie, Prothetik und Funktion [Eichner, 1955; Schiffman et al., 2014; Tonetti und Sanz, 2019; Türp, 2000] getroffen werden kann, mit ihren Vektoren als Risikoprofil visuell leicht erfassen und im Laufe des Recalls in ihrem Verlauf miteinander vergleichen. Ein geringgradiges Risiko liegt vor, wenn alle Vektoren im grünen Bereich liegen. In diesem Fall ist die Entscheidung für die UPS-Therapie von einer Nutzen-Risiko-Abwägung unabhängig. Foto: Jörg Schlieper zm114 Nr. 04, 16.02.2024, (260) MIT EINER 3-D-GEDRUCKTEN UNTERKIEFERPROTRUSIONSSCHIENE Die Therapie der obstruktiven Schlafapnoe im standardisierten Workflow Jörg Schlieper Seit Anfang 2022 gehört die Therapie des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) mit Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) zum GKV-Leistungskatalog. Die UPS gilt aufgrund der für den Patienten komfortableren Anwendung als wichtigste Alternative zum schlafmedizinischen Standard der Positivdrucktherapie (PAP). Der Fallbericht schildert die Behandlung einer 54-jährigen Patientin und das Vorgehen im Rahmen eines standardisierten Behandlungskonzepts.

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