zm114 Nr. 05, 01.03.2024, (304) 14 | POLITIK Die Augenarztkette Artemis hat auf Vorwürfe einer möglichen Anstiftung zum Abrechnungsbetrug reagiert: „Die ARTEMIS-Gruppe hat keine Kenntnis von etwaigen Unregelmäßigkeiten bei der Erbringung, Dokumentation oder Abrechnung von medizinischen Leistungen“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme. Obwohl das Unternehmen die Anschuldigungen als „unbestätigt“ zurückweist, zieht die Geschäftsführung jetzt Konsequenzen: „ARTEMIS und die betroffene Führungskraft haben sich darauf verständigt, dass diese mit sofortiger Wirkung von allen Aufgaben innerhalb der ARTEMIS-Gruppe entbunden ist.“ Welche Personen entlassen wurden, ließ die Geschäftsführung offen. Auf Nachfrage von Panorama teilte Artemis mit, man habe eine externe Kanzlei beauftragt, um die Vorwürfe zu untersuchen. „Panorama“ hatte am 8. Februar über ein Seminar berichtet, das der Ärztliche Direktor und Mitgründer von Artemis, Kaweh Schayan-Araghi, mit einer Abrechnungsexpertin des Unternehmens im vergangenen Herbst online gehalten hatte. Darin gaben sie angestellten Medizinern ihres Hauses Tipps, wie man bei Privatpatienten „eine Menge mehr abrechnen“ kann, wie es Schayan-Araghi während der Veranstaltung formulierte. Die Redaktion hatte anonym Ton- und Bildmaterial zu dem Vortrag erhalten. Jurist Andreas Spickhoff, Professor für Bürgerliches Recht und Medizinrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München, nannte die Schulung in der Panorama-Sendung „eine Fortbildung zur Gewinnmaximierung“ und sah in Teilen davon eine mögliche Anstiftung zu Straftaten, zu einem Abrechnungsbetrug in einem besonders schweren Fall. Es sei aufgrund der vielen beteiligten Mediziner von einem „hohen Schaden“ auszugehen. „Steigern Sie!“, forderte Schayan-Araghi in dem Seminar „Das ist keine Ausreizung der Gebührenordnung, sondern eine Überreizung“, sagte Spickhoff in dem TV-Bericht. Der Seminarleiter und die teilnehmenden Ärzte, die solche Anweisungen umsetzten, würden gegen die Berufsordnung verstoßen und könnten ihre Approbation verlieren. Wie aus den Videoaufnahmen hervorgeht, werden in dem Seminar konkrete Abrechnungswege vorgestellt, die die Honorare künstlich steigern: So sollten die Ärzte Operationen am Grauen Star als überdurchschnittlich schwierig oder zeitaufwendig darstellen und dafür eine entsprechende Begründung finden. Im Ergebnis fiel die Abrechnung fast 250 Euro höher aus als im Regelfall. „Steigern Sie!“, forderte Schayan-Araghi seine Mitarbeiter in dem Seminar auf. „Das ist so unser Weg, wie wir uns so ein bisschen den Inflationsausgleich holen können.“ Zudem gibt es zu Netzhaut-OPs offenbar Anweisungen, um die Versicherungen zu täuschen. Ein „Zauberwort“ müsse in dem OP-Bericht auftauchen, dann würden die Kontrolleure die 1.000 Euro, um die es geht, nicht wegstreichen, sagte demnach Schayan-Araghi. Medizinisch fragwürdig ist Experten zufolge auch ein bestimmter Sehtest, den die Artemis-Ärzte wohl bei allen Privatpatienten durchführen sollen. Ein bei Artemis angestellter Arzt, der anonym bleiben will, sagte im TVInterview: „Das ist wie wenn Sie zum HNO-Arzt gehen, weil die Nase läuft, und der macht jedes Mal einen Hörtest.“ ck Foto: NDR_Panorama_ 8.2.2024_ Augenärzte: Profit auf Kosten der Patienten? HINTERGRUND Finanzinvestoren haben in den vergangenen Jahren Hunderte Augenarztpraxen in Deutschland gekauft. Eine der größten Ketten mit 115 Standorten in Deutschland und über 270 angestellten Ärzten ist Artemis. Die MVZGruppe wurde im Jahr 2000 mit den augenchirurgischen Zentren in Dillenburg und Wiesbaden gegründet. WIE ARTEMIS PRIVATPATIENTEN SCHRÖPFEN WILL MVZ-Kette gibt Ärzteseminar zur Gewinnmaximierung Die Augenarztkette Artemis gab vergangenen Herbst ein Webinar für ihre angestellten Ärzte. Der Inhalt: Wie diese bei Privatpatienten „eine Menge mehr abrechnen können“. Nach einem TV-Bericht zieht das Investoren-MVZ nun Konsequenzen. Artemis-Chef Kaweh Schayan-Araghi gab für seine angestellten Ärzte eine Online-Schulung, mit dem Ziel, dass sie ihre Leistungen möglichst hoch abgerechnen.
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