zm114 Nr. 05, 01.03.2024, (331) PRAXIS | 41 ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Kommunizieren Sie diesen respektvollen Umgang vor der Einführung einer Duz-Kultur. Damit bauen Sie unsicheren Mitarbeitenden eine Brücke zur ehrlichen Meinungsäußerung. Ein temporäres Du kennen wir nur aus Seminaren, von Großveranstaltungen, vom Segeln oder vom Bergsteigen in Gruppen. Für die Zeit der Zusammenkunft duzen sich alle, im Alltag gehen einige – ganz selbstverständlich – dann wieder zum Sie zurück. Auf Du und Du mit den Patienten? Das Duzen von Kunden beziehungsweise Patienten ist in Deutschland eher unüblich. Manche Unternehmen gehen hier zwar zum Duzen über, bekanntestes Beispiel ist, siehe oben, IKEA. Das Möbelhaus duzt seine Kunden in der Werbung und auf der Website, die Mitarbeitenden duzen sich untereinander. Im Laden selbst werden die Kunden aber meistens mit Sie angesprochen – zumindest in Deutschland. Ein Konzept, das sich auch für die Zahnarztpraxis eignen könnte. Zum einen signalisiert man eine offene,moderne Praxiskultur, zum anderen wahrt man eine professionelle Distanz zum Patienten. Eine Studie kam 2021 zu dem Ergebnis, dass die Ansprache zur Erwartungshaltung passen muss. In der Zahnarztpraxis könnte ein spontanes Duzen daher zu Irritationen führen, ebenso wie eine asymmetrische Anrede im Team. Die Forschungsgruppe von der Hamburg School of Business Administration kam in ihrer empirischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Kunden positiver auf das Verkaufsgespräch reagieren und die Kaufwahrscheinlichkeit steigt, wenn sie mit „Sie“ angesprochen werden. Das Ergebnis war unabhängig vom Alter der Kunden und der Produktart (Autoverkauf, Bank, Sportgeschäft). Die Vermutung liegt nah, dass Mitarbeitende eines Unternehmens vom Kunden als kompetenter wahrgenommen werden, wenn sie ihn zunächst mit Sie ansprechen. Außerdem muss die Anrede für den Kunden beziehungsweise den Patienten stimmig sein. Das heißt, die Ansprache sollte zu ihrer „Erwartungshaltung“ passen. Das hat bekanntlich schon Paul Watzlawick mit seinem Kommunikationsmodell festgestellt. Da der Arztberuf immer noch sehr angesehen ist, könnte ein spontanes Duzen der Patienten zu Irritationen führen. Das gilt auch für die asymmetrische Anrede im Team, also wenn die Chefin die Mitarbeitenden duzt, selbst aber mit Sie angesprochen wird. Das kann auf Patienten irritierend wirken. Denn sie wissen schließlich nicht, ob die Angestellten sich das selbst so ausgesucht haben oder die Chefin das einfach macht. Asymmetrisches Duzen ist kompliziert Wie der Zukunftsreport 2023 zeigt, werden Mitarbeitende, die von der Führungskraft geduzt werden, außerdem als nicht so kompetent wahrgenommen. Gerade bei Arbeiten, die von den Beschäftigten selbstständig und ohne Anwesenheit der Chefin ausgeführt werden, kann das zu Komplikationen führen. Ein asymmetrisches Duzen muss immer frei gewählt sein. Wird es von der Chefin oder dem Chef einfach gemacht, ist die Kommunikation nicht mehr auf Augenhöhe und führt zur emotionalen Herabsetzung der Mitarbeitenden. Patienten haben dafür ein feines Gefühl. Für viele Menschen ist der Zahnarztbesuch immer noch angstbesetzt. Und wer Angst hat, bei dem sind „alle Antennen auf Empfang", gerade die der nonverbalen Kommunikation. Viele Patienten fühlen sich den Mitarbeitenden „näher“ als den Zahnärzten. Darum ist es ihnen auch sehr unangenehm, wenn die Chefin sich im Ton vergreift. Unterm Strich ist die Einführung einer Du-Kultur oder die Bewahrung der SieKultur eine sehr persönliche Entscheidung, die man mit Augenmaß treffen sollte. Zukunftsforscher sehen nach der starken Individualisierung unserer Gesellschaft einen klaren Trend hin zu einer Wir-Kultur. Ziel sollte ein entspanntes und wertschätzendes Miteinander sein, unabhängig von der Anrede. Es gibt hier also keine eindeutige Empfehlung. n Foto: Mr. Music – stock.adobe.com
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