Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 05

52 | TITEL KINDESWOHLGEFÄHRDUNG War das wirklich nur ein Sturz? Eine Rissquetschwunde an der Lippe oder ein luxierter Zahn: Orofaziale Verletzungen im Kindesalter sind keine Seltenheit und Zahnarztpraxen oft die erste Anlaufstelle. Meist stimmen die Schilderungen der Eltern über den Unfallhergang mit den Verletzungen des Kindes überein. Doch was ist, wenn Zweifel an der Anamnese aufkommen und die Verletzungsmuster nicht zu dem Berichteten passen? Bei welchen Verletzungen sollten Zahnärzte hellhörig werden und an wen können sie sich wenden, wenn der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung aufkommt? Bei körperlicher Misshandlung gehören der Kopf-Hals-Bereich inklusive der Mundhöhle zu den am häufigsten betroffenen Verletzungsregionen [Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, 2023]. Zahnärzte sind also möglicherweise die ersten – oder sogar einzigen – Mediziner, die den Patienten und seine Verletzungen zu Gesicht bekommen. Deshalb kommt gerade der Zahnärzteschaft eine entscheidende Rolle bei der Erkennung von Spuren physischer Gewalt bei Kindern zu. Der Begriff Kindeswohlgefährdung „bezeichnet eine andauernde oder wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns durch sorgeberechtigte oder -verantwortliche Personen und kann zu langfristigen körperlichen, seelischen und geistigen Beeinträchtigungen bei der Entwicklung des Kindes bis hin zum Tod führen" [Jungmann, 2020]. Definiert werden vier Hauptkategorien: Vernachlässigung sowie körperliche, emotionale und sexuelle Gewalt gegenüber Säuglingen, Kindern und Jugendlichen [WHO, 2022]. Kindeswohlgefährdungen sind auf einem neuen Höchststand Nach einem leichten Rückgang in 2021 hat die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht: Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, haben die Jugendämter 2022 bei fast 62.300 Kindern oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt festgestellt. Das waren rund vier Prozent mehr als im Jahr zuvor. Auch langfristig hat sich die Zahl der KindeswohlgefährAbb. 1: Hämatome an den Ohren können auf Gewalteinwirkung gegen den Kopf hindeuten. Foto: studybos_stock.adobe.com zm114 Nr. 05, 01.03.2024, (342)

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