Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 05

54 | TITEL Laut einer aktuellen Studie sind „Verletzungen der Lippen die häufigste Manifestation von Misshandlungen im Mundbereich“ [Spiller, 2023]. Die Autorin weist darauf hin, dass beidseitige lineare Verletzungen der Lippen beziehungsweise des perioralen Bereichs hinweisgebend für eine Knebelung sein können. Die meisten Lippenverletzungen entstehen aber durch Schläge mit einem Gegenstand beziehungsweise durch die Zähne des Opfers, die die Lippen durch einen zugefügten Schlag verletzen oder perforieren – wobei hier die Oberlippe öfter betroffen ist [Spiller, 2023]. Da dentale Verletzungen im Kindesund Jugendalter oft vorkommen, sollten Zahnärztinnen und Zahnärzte besonders auf die Schlüssigkeit der Schilderungen der Sorgeberechtigten sowie der Kinder zum Unfallhergang achten, ebenso auf etwaige Begleitverletzungen, zum Beispiel Einblutungen der Schleimhaut. Zumeist sind bei externer Gewalteinwirkung die Frontzähne betroffen – sie können abgebrochen, intrudiert, disloziert oder avulsiert sein. Zahnärzte sollten sich dann fragen, ob die Richtung des Traumas passt. Auch verfärbte Zähne, die auf eine Pulpanekrose hindeuten, sowie Zahnfehlstellungen oder Kronenfrakturen können hinweisgebend für ein früheres Trauma sein – ebenso wie Verletzungen in verschiedenen Heilungsstadien [Costacurta et al., 2016]. Verletzungen im Bereich der Ohren sind selten unfallbedingt Bei schweren Schlägen ins Gesicht kann es neben Hämatomen, Abschürfungen, Nasenbluten und Riss-Quetschwunden zu Frakturen kommen, wobei Unterkiefer- und Kondylenfrakturen am häufigsten sind, gefolgt vom Oberkiefer, der Augenhöhle und den Nasenbeinen [Spiller 2023]. Bei pädiatrischen Nasenbeinfrakturen sind allein 15 Prozent aller Brüche auf beabsichtigte Gewalteinwirkung zurückzuführen [Desrosiers und Thaller, 2011]. Bei Blutergüssen, Rissen oder anderen Verletzungen an den Ohren sollte eine Misshandlung in Betracht gezogen werden, wenn keine plausible Erklärung geliefert werden kann, da Verletzungen in diesem Bereich selten zufällig passieren – dasselbe gilt für den Rachenbereich [Rees et al., 2016]. Netzhautblutungen sind die häufigsten Zeichen von Gewalteinwirkung im Bereich der Augen bei Säuglingen und Kindern [Christian et al., 2018]. Darüber hinaus können periorbitale Ekchymosen – kleine Einblutungen in die Haut – hinweisgebend für Gewalteinwirkung sein. Ein bilaterales Auftreten kann sekundär auf ein Stirntrauma, Schädelbasisfrakturen oder subgaleale Hämatome hinweisen [Christian et al., 2018]. Letzteres kann beispielsweise ein Resultat von gewaltsamem Ziehen an den Haaren sein – bei genauer Untersuchung sollten Zeichen von Traktionsalopezie (Haarausfall durch mechanizm114 Nr. 05, 01.03.2024, (344) Abb. 2: Hämatome in den rot markierten Bereichen sind „Hotspots“ für körperliche Misshandlung [Kinderschutzleitlinienbüro, 2019]. Foto: Kinderschutzleitlinie ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.

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