Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 05

76 | GESELLSCHAFT Wie kam es, dass Sie sich nicht zur Ruhe setzen, sondern für DfA nach Westkenia fahren? Dr. Christoph Niesel: Ich wusste nach einer Besinnungsphase zu Beginn meiner Rente, dass ein soziales Engagement für mich wichtig sein würde. Durch einen Beitrag in der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Orale Implantologie bin ich auf DfA aufmerksam geworden, besuchte 2022 die Jahresversammlung, lernte die Verantwortlichen kennen, meldete mich für einen Einsatz und saß zehn Wochen später im Flieger nach Kenia. Seitdem habe ich bei DfA mein Zuhause gefunden. Der Nachhaltigkeitsgedanke wird hier besonders gut umgesetzt. Und ich kann mit einem Einsatz vor Ort mit relativ wenig Aufwand sehr viel Gutes tun. Die Menschen, die wir versorgen, sind extrem dankbar für die Hilfe. Was sind die Besonderheiten hinsichtlich der Mundgesundheit in Westkenia? Die Haushälterin des Gästehauses in Nyabondo, Ruth, sagte mir: „Die Menschen hier sparen lieber das Geld für ihren Sarg, als es in ihre Gesundheit zu investieren.“ Das habe ich genauso erlebt: Die Menschen suchen einen Zahnarzt nur auf, wenn sie wirklich extreme Zahnschmerzen haben! Viele von ihnen leben von umgerechnet einem Euro pro Tag und können sich kaum die Fahrt zur Zahnstation, geschweige denn die Behandlung leisten. Zudem gibt es kaum Aufklärung oder Vorsorge und dementsprechend auch wenig Wissen über tägliche Mundhygiene oder den Zusammenhang von Ernährung und Karies. Softgetränke wie Cola, Fanta und Sprite halten Einzug und werden massiv beworben. Wir sehen in den Außeneinsätzen nicht selten Menschen mit Gebissen, bei denen 80 Prozent der Zähne zerstört sind, und die zum ersten Mal in ihrem Leben auf einen Zahnarzt treffen. Auch bei vielen Kindern und Jugendlichen müssen wir Zähne deshalb ziehen. In die Zahnstationen kommen die Menschen oft erst, wenn die Schmerzen unerträglich werden oder sich schon ein Abszess bildet. Die wenigsten haben eine Krankenversicherung – und die Extraktion ist günstiger als die Füllung. Wie können Sie in den Zahnstationen behandeln? Die Behandlungsoptionen sind Extraktionen, Füllungen, sofern der Zahnnerv von der Karies noch nicht Foto: Christoph Niesel zm114 Nr. 05, 01.03.2024, (366) Unterricht im Zähneputzen: Niesel besuchte mit seinem Team die Kabete Primary School und führte vor, wie die tägliche Mundhygiene erfolgen soll. Foto: Sophie Bone INTERVIEW MIT ORALCHIRURG DR. CHRISTOPH NIESEL ZU SEINEM EINSATZ IN WESTKENIA „Der dentale Tausendsassa ist hier fehl am Platz“ Der Oralchirurg Dr. Christoph Niesel aus Karlsruhe ist frisch im Ruhestand. Das heißt, er hat endlich Zeit für ein Herzensprojekt! Und so unterstützt er die Dentists for Africa (DfA) in Kenia. Was ihn dazu bewegt und was vor Ort die Besonderheiten sind, erzählt er im Interview.

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