Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 05

GESELLSCHAFT | 77 betroffen ist, und einzeitige Wurzelkanalbehandlungen an noch vitalen Zähnen bei Eröffnung der Pulpa. Einzeitig deshalb, weil die Patienten in dem Moment, wo sie schmerzfrei sind, nicht mehr wiederkommen. Was ist der außergewöhnlichste zahnmedizinische Fall, den Sie behandelt haben? Immer wieder sieht man Tumoren, die bis dato weder diagnostiziert noch behandelt wurden. Ich traf vor Kurzem auf eine Frau mit einem perimandibulären Abszess, der von extraoral eröffnet werden musste. Als Oralchirurg bin ich für diesen Eingriff zwar ausgebildet, habe ihn in der Praxis jedoch selbst noch nie durchgeführt, da wir in Deutschland solche Patienten in der Regel an eine gesichtschirurgische Praxis überweisen können. Die nächste MKG ist hier mehrere Stunden Fahrt entfernt. Die Patientin hätte weder die Fahrtkosten noch den Krankenhausaufenthalt zahlen können. Diesen Eingriff im Level-4-Krankenhaus Nyabondo zu organisieren und dann in Generalanästhesie durchzuführen, war eine echte Herausforderung. Was hat Sie besonders überrascht, begeistert oder erschreckt? Zum einen ist jede Behandlung vor Ort immer ein Stück Improvisation – darin sind die Kenianer freilich Spezialisten! Während eines mobilen Einsatzes ist es aufgrund der Menge an Patienten nicht möglich, zwischendurch die Instrumente zu sterilisieren. Dies ist in einer hochkonzentrierten Desinfektionslösung aber entsprechend der kenianischen Hygienevorgaben möglich. Zum anderen ist die technische Ausrüstung der Einheiten eher einfach und funktionell und vor Ort zu reparieren. Viele der in unseren Zahnstationen tätigen Behandler sind Absolventen unseres Patenschaftsprojekts für Waisenkinder und geben zurück, was sie erhalten haben. Außerdem begeistert mich ihre Lernbereitschaft von unseren Einsatzleistenden und in unseren zahnmedizinischen Seminaren. Gibt es Hoffnungsschimmer? Im Prophylaxeprogramm, das DfA seit vielen Jahren an Schulen durchführt, gibt es Fortschritte. Dort treffenwir auf Kinder, die oftmals durch Spendenaktionen an eine Zahnbürste gekommen sind und gelernt haben, wie man Zähne putzt. Jedoch haben sie oft als einzige in der Familie eine Zahnbürste, aber kein Geld für Zahnpasta. Einige Kinder haben recht gute Zähne, etwa 20 Prozent der Schüler einer Schule sind behandlungsbedürftig. Außerdem entwickelt DfA gerade gemeinsam mit dem Krankenhaus in Asumbi ein Konzept zur Schulung der lokalen Gesundheitsarbeiter zu zahnmedizinischen Belangen, das von der Regierung zertifiziert werden soll. Auf diese Weise sollen Aufklärung betrieben, das Wissen zu diesen Themen nachhaltig verbessert und Patienten rechtzeitig an Zahnstationen verwiesen werden. Was würden Sie KollegInnen ans Herz legen, die auch mit dem Gedanken spielen, in ärmeren Regionen zu helfen? Es ist eine extrem sinnstiftende Tätigkeit, die einem selbst viel gibt und lange nachwirkt. Wichtig ist es, den Menschen in diesen uns fremden Ländern demütig zu begegnen. Wer hier versucht, den „dentalen Tausendsassa“ herauszulassen, ist fehl am Platz. Die Tatsache, dass man sich von dem Leid der Menschen abgrenzen muss, ist eine weitere Voraussetzung dafür, dass man vor Ort wirklich helfen kann. Wissen sollte man, dass es herausfordernde Situationen gibt. Zum Beispiel sind die Örtlichkeiten, in denen die Behandlungen stattfinden, zeitweise gewöhnungsbedürftig: Mal behandelt man unter einem improvisierten Zelt am Straßenrand, mal auf der grünen Wiese neben herumlaufenden Hunden und Hühnern. Oder auch die ergonomische Haltung, die man hat, wenn man Patienten im Plastikstuhl behandelt. Und die Menge an Patienten ist manchmal erschreckend! Man hat immer mindestens noch 50 Patienten draußen sitzen. Doch es berührt mich sehr, wenn ich nach einer halben Stunde schwerer Arbeit an einem schwierig zu entfernenden Zahn ein „Dankeschön“ höre. Das Gespräch führte Laura Langer. zm114 Nr. 05, 01.03.2024, (367) Immer wieder treffen Niesel und sein Team selbst bei Kindern auf zerstörte Zähne, die nur noch extrahiert werden können. Foto: George Oliech 25 JAHRE DENTISTS FOR AFRICA Dentists for Africa betreut und initiiert seit 1999 soziale und zahnärztliche Projekte in Kenia mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. DfA ist von den kenianischen Behörden offiziell anerkannt. Neben dem Zahnarztprojekt unterstützt die Organisation die Witwenkooperative St. Monica Village, in der sich mehr als 600 Frauen zusammengeschlossen haben, die von der Aids-Pandemie betroffen sind. Sie organisieren Selbsthilfeprojekte und können sich und ihre Kinder so eigenständig versorgen. Im Patenschaftsprojekt werden kenianische Waisenkinder bis ans Ende ihrer Berufsausbildung begleitet. DfA fördert insbesondere Ausbildungen im zahnmedizinischen Bereich. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung arbeiten viele der Patenkinder in den DfAeigenen Zahnstationen oder übernehmen Verantwortung bei DfA Kenya. Wenn Sie Dentists for Africa unterstützen wollen, spenden Sie an: Dentists for Africa e. V. IBAN: DE86 8205 1000 0140 0467 98 Sparkasse Mittelthüringen BIC: HELADEF1WEM Weitere Informationen: www.dentists-for-africa.org

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