Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 06

10 | LESERFORUM zm114 Nr. 06, 16.03.2024, (408) Kalottendefekten bekannt. Gibt es bei diesen großen Defekten nicht immer mal wieder Schwierigkeiten und damit verbunden alle paar Jahre neue OP-Notwendigkeiten? Zirkon seinerseits ist kein Material, das am Kopf unbekannt ist. Auf Einzelheiten gehe ich nicht ein. Jedenfalls erscheint mir aus dieser Sicht ein Heilversuch mit entsprechender Aufklärung nicht ganz so unwissenschaftlich, wie dieser Artikel das glauben machen möchte. Ich weiß nicht, wie es heute aussieht. Es existiert die Arbeitsgemeinschaft Osteosynthese (AOFoundation.org) und das S.o.r.g. (Strasbourg Osteosynthesis Research Group). Da bewegen sich die Ansichten nicht zu 100 Prozent deckungsgleich, obwohl das Arbeitsfeld identisch ist. Und beim S.o.r.g ist noch in der Legende vergangener Kurse vom 2.9.2023 als Event „Disasters of the Masters“ in Maastricht zur Kenntnis zu nehmen. Nur als kleiner Hinweis, dass Fehlschläge, so schlimm sie auch sind, leider einen Teil des Geschäfts darstellen und insofern nur die Lebenswirklichkeit spiegeln. Wer hatte noch nie einen Fehlschlag? Die Betrachtung der im Artikel verwendeten Daten machen bei der Sachlage eine andere Interpretation möglich. Die Prothese der Vorbehandler wurde 2019 eingesetzt. Erst im Jahr 2017? erhielt eine erste „Custom-made“ hergestellte Prothese durch die Fa. TMJ Concepts eine FDA-Zulassung. Muss ich als Anwender alle in der Welt erhältlichen Produkte kennen und auf diese setzen? Muss ich zu jedem Zeitpunkt von einer Neuerung wissen oder reicht es, diese erst nach guter klinischer Anwendungserfahrung selbst zu verwenden? Vielleicht gab es schon früher eine Prothese in China, Südkorea oder Japan und ich habe auf Grundlage eigener Erfahrungen oder den Erfahrungen in der Vergangenheit auf diese verzichtet oder gar weil ich der Sprache im Ursprungsland nicht mächtig bin oder die Beschaffung unzumutbar wäre. Würde ich bei Anwendung dentaler Implantate auf die setzen, die einen geringen Erfahrungshorizont am Markt besitzen? In diesem Fall ist die zugelassene Prothese mit kurzem Anwendererfahrungshorizont aus Sicht des Anwenders ähnlich „experimentell“ zu betrachten. Das Argument zieht besonders, da die Erfahrungen mit Kiefergelenkendoprothesen in den letzten Jahrzehnten, wie in dem Beitrag angedeutet, nicht zu den besten zählten. Zudem sei auf die postoperativen Bilder verwiesen, es fehlt der Rest des Proc. condylaris und der Proc. coronoideus und somit die Aufhängung des M. temporalis und die Führung durch den M. pterygoieus lateralis Pars inferior. Also erkennt man den Fakt an: Hier wirkten hohe Kräfte. Der Ansatz des M. temporalis fehlt, damit wurde die Summe der Kräfte der Mundschließer reduziert. Zusätzlich sollte in Betracht gezogen werden, dass bei kritischen Kräften zunehmend das Botulinumtoxin zur Anwendung kommt, um schädliche Einflüsse, wie zu starke Muskelaktivierung, auszuschalten. Dieses Verfahren ist allgemein bekannt. Und es gibt allerlei Konstellationen, warum es nicht zur Anwendung kam. Nicht alle müssen ursächlich bei den Vorbehandlern zu suchen sein. Wenn man wirklich die Sichtweise des Artikels in Hinsicht individueller Heilversuch und Ethikkommission teilt, so sollte man konsequent handeln! Die Ethikkommission der Universität A sollte den Heilversuch der Universität B beurteilen, um die Neutralität sicherzustellen und jene sollte aus einem anderen Bundesland kommen. Universität B sollte ihrerseits von Universität C bezüglich des Heilversuchs betreut werden. Ich schlage daher vor – ganz im Sinne der Lindemann'schen Fräse und deren Ausführungsbestimmungen – ein komplexes Regelwerk mit vielen Paragrafen und Unterpunkten zu schaffen, um allen gedachten und noch nicht gedachten Spezialanwendungen gerecht zu werden und diese letztlich in einem Staatsvertrag festschreiben. Mein Herz schlägt für die Institution, die diesen Heilversuch gewagt hat, ich kann nichts Unwissenschaftliches erkennen, wenn der Patient hinreichend informiert ist. Leider ist es nicht dauerhaft geglückt. Ich hoffe, dass es weiterhin Fachleute gibt, die auf den Schultern ihrer Vorvorderen stehen und mit Kalkül, ethischer Verantwortung und Empathie abwägen, ob mal etwas Neues gewagt werden sollte, wenn die Situation es erfordert. Die Anprangerung der Vorbehandler empfinde ich unwürdig und schädlich unter Berücksichtigung der dargestellten Informationen. Glücklicherweise haben die Pioniere des Fachs den Mut und die Chuzpe besessen, das zu wagen. Sie waren neben allen Misserfolgen die Wegbereiter einer modernen Medizin. Ich versichere, dass ich in keiner Weise in diesen Fall verwickelt bin. Ich bestätige, dass ich nicht fehlerfrei bin und nur an der Basis als Zahnarzt arbeite. Dr. Thomas Heß Zahnarzt, Dortmund Antwort von PD Dr. Dr. Daniel Thiem und Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Autoren des Artikels „Der besondere Fall mit CME: Komplikationsmanagement bei einer nichtkonventionellen Kiefergelenkendoprothese“ in zm 4/2024, S. 52–57. Zertifizierungen von Kiefergelenkendoprothesen sind sinnvoll und notwendig Sehr geehrter Herr Dr. Heß, vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme und die darin enthaltenen Überlegungen zur deutschen MKG-Chirurgie. Ihre Perspektive auf die Herausforderungen und historischen Errungenschaften in diesem Fachbereich ist sehr wertvoll und trägt sicher zur wichtigen Diskussion über die richtige Balance von Regulierung/Deregulierung im Bereich der Medizinprodukte bei. Ihre Anmerkung, dass eine CE-Zertifizierung nicht vor Fehlschlägen schützt, möchten wir zum Anlass nehmen, um auf eine Analogie hinzuweisen: So wie die TÜV-Prüfung eines Fahrzeugs nicht vor einem möglichen Verkehrsunfall schützt, jedoch als sinnvolle und notwendige Maßnahme zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit verstanden wird, verhält es sich auch mit der Zertifizierung von Medizinprodukten. Diese Zertifizierungen sind essenzielle Schritte, um die Sicherheit und Funktionstüchtigkeit der

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