Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 06

Wo soll da jetzt der Punkt sein? Man liest überall – Jobangebot, Jobcenter, Jobagentur –, da ist es doch nur folgerichtig, wenn auch wir dabei sind: „Größte Jobbörse Dental“, „Zahnarzt Jobbörse“, „Zahnarzt Jobs“. Das Wort „Job“ ist modern. Es drückt Work-LifeBalance aus, aber auch den Wunsch sich zu engagieren und sich inhaltlich, strukturell und räumlich weiterzuentwickeln. Die allgemeine Medizin könnte Vorbild sein. Mehr als jede zweite Ärztin und jeder zweite Arzt arbeiten in Kliniken. Dort macht man den Facharzt, wechselt zu einer anderen Einrichtung, geht vielleicht mal ins Ausland, sammelt Erfahrungen, wird Oberarzt in einer neuen Struktur und vielleicht Chefärztin oder Professor in einer weiteren. Die Patientinnen und Patienten sind dankbar, denn der Hüfte, dem Herzen, dem Magen und der Infektion tun so viel Erfahrung gut. Und wie passt das jetzt zur Zahnmedizin? Zunächst einmal besteht kein grundsätzlicher Unterschied, ob eine künstliche Hüfte implantiert wird oder ein neuer Zahn, ob eine Pulpa entzündet ist oder die Magenwand: Immer zählen Geschick, Engagement und Erfahrung. Ist damit die Betrachtung zu Ende – und auch wir sollten auf die Anstellung in größeren Strukturen setzen und die nächste LebensabschnittsHerausforderung via LinkedIn, Indeed oder Experteer suchen? Wer so denkt, verkennt – und gefährdet gleichzeitig – den tatsächlich beispiellosen Erfolg, den die Zahnmedizin in der Prävention erzielt hat. Ein Erfolg, zu dem wir nicht auf geradem Weg gekommen sind. Nimmt man die Gründung des ersten staatlichen Universitätsinstituts 1884 in Berlin zum Startpunkt, dann haben wir uns in den ersten knapp 100 Jahren unserer akademischen Geschichte eher mit Symptomen beschäftigt als mit Ursachen. Der kariöse Defekt wurde gefüllt, die entzündete Tasche gereinigt. Die Illusion, damit sei dann alles bestens versorgt, hielt bis zum nächsten kariösen Defekt und der nächsten parodontalen Entzündung. Eigentlich doch eine simple Job-Beschreibung: immer wieder reparieren, was kaputt ist, keine Zeitachse, kein Blick zurück, kein Blick nach vorne. Der disruptive Moment kam 1989 mit der ersten Deutschen Mundgesundheitsstudie. Die Ergebnisse waren schlecht, und zuerst sollte auch gar nichtöffentlich werden, wie die deutsche Zahnmedizin in der Weltliga der Mundgesundheit auf KreisklasseNiveau herumkickte. Mit dem Mut zur schonungslosen Offenheit entstand dann aber der starke Wille, alles besser zu machen. Knapp 30 Jahre genügten und die Schwarmintelligenz der vielen Praxis-Chefinnen und -Chefs führte uns aus eigener Kraft in die Champions League der Prävention. Die Kolleginnen und Kollegen der ersten Stunde haben uns zeigen können, wie viel mehr zu einem nachhaltigen Prophylaxeerfolg gehört als Polierkelche und einfache Mundpflegeappelle. Es gehört dazu das Vertrauen unserer Patientinnen und Patienten, das sich erst in Jahren aufbaut, ebenso der Blick auf die individuelle Entwicklung der Mundgesundheit eines Menschen, auf seine Wünsche, seine Möglichkeiten und die Veränderungen, die sich im Lauf eines Lebens ergeben. All das wird nur möglich, wenn die Zahnärztin oder der Zahnarzt in eine Region eingebunden ist, bereit ist, langfristig Verantwortung für Gesundheit zu übernehmen, Wertschätzung erfährt und weiß, dass Mundpropaganda das beste Werbemedium ist. DerBegriff Hauszahnärztin und Hauszahnarzt drückt aus, worum es geht. Engagement für Jung und Alt, für Fit und Pflegebedürftig, für Prävention und Prothetik. Naiv wäre tatsächlich, in der hauszahnärztlichen Tätigkeit den Gegensatz zu einer Spezialisierung sehen zu wollen. Damit verkennt man die Breite und Qualität unserer Ausbildung, die hohe Fortbildungsbereitschaft und unseren Innovationsgeist. Wir haben gelernt, zu können, was unsere Patientinnen und Patienten brauchen. Man kann die alten Begriffebemühen und von Berufung statt Beruf sprechen oder die kurze Formel wählen: Zahnmedizin ist mehr als ein Job! Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer Zahnmedizin ist kein „Job“ 6 | LEITARTIKEL Foto: BZÄK/axentis.de

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