Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 06

68 | ZAHNMEDIZIN mitteln bei der diagnostischen Anwendung von Röntgenstrahlung am Menschen“ eine Stellungnahme mit Empfehlungen. In Kapitel 6.9 „Röntgenaufnahmen in der Zahnmedizin“ des Papiers heißt es: „Die in der Zahnmedizin verwendeten Strahlenenergien und Feldgrößen erzeugen nur Streustrahlenfelder mit geringen Dosen. Patienten-Strahlenschutzmittel werden deshalb nicht benötigt. Selbst bei Untersuchungen mit Panorama-Aufnahmen und dentalen DVT zeigten sich keine signifikanten Dosiseinsparungen durch das Tragen einer Patientenschürze [Rottke et al., 2013a; Rottke et al., 2013b; Schulze et al., 2017b] und in einer Studie [Qu et al., 2012] Einsparungen von 0,015 mSv bei der Organ-Äquivalentdosis der Schilddrüse aufgrund der dorsalen 180°-Rotation. Ein Schilddrüsenschutz kann bei spezieller Begründung und extraoralen Aufnahmen (zum Beispiel Fernröntgen-Seitbild) verwendet werden.“ Zahnärzte: ALARA-Prinzip ist zu beachten In der Zahnärzteschaft treffendieEmpfehlungen der SSK nicht auf ungeteilte Zustimmung. Im Ausschuss „Röntgen und Strahlenschutz“ der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und den Zentralen Erfahrungsaustauschen zahnärztlicher Stellen wurde kritisch diskutiert, ob ein völliger Verzicht auf Strahlenschutzmittel in der Zahnheilkunde mit dem ALARA-Prinzip vereinbar sei. Im Jahr 2020 stimmten die zahnärztlichen Experten darin überein, dass die Studienlage zum Nutzen der Strahlenschutzmittel uneinheitlich ist und deshalb an dem bisherigen Vorgehen festgehalten werden soll: Das bedeutet, Strahlenschutzmittel erwachsenen Patienten auf Wunsch und vor allem Kindern weiterhin anzulegen. In Reaktion auf die SSK-Empfehlungen aus dem September 2022 verweisen Mitglieder des Ausschusses „Röntgen und Strahlenschutz“ der BZÄK darauf, dass trotz der Empfehlungen der SSK in der Zahnheilkunde das ALARA-Prinzip zu beachten sei und für vulnerable Patientengruppen alle Schutzmaßnahmen auszuschöpfen seien. br Die ADA-Empfehlungen: Erika Benavides, Joseph R. Krecioch, Roger T. Connolly: Optimizing radiation safety in dentistry. Clinical recommendations and regulatory considerations, Published: February 01, 2024, https://doi.org/10.1016/j.adaj.2023.12.002 zm114 Nr. 06, 16.03.2024, (466) INTERVIEW MIT DR. KAI VOSS, STELLVERTRETENDER VORSITZENDER DES AUSSCHUSSES „RÖNTGEN UND STRAHLENSCHUTZ“ DER BUNDESZAHNÄRZTEKAMMER „Hilfreich, aber etwas zu kurz gesprungen“ Herr Dr. Voss, die ADA hat den Verzicht auf Bleischürze und Schilddrüsenschutz mit „verbessertem“ Patientenschutz begründet. Selbst wenn die Strahlenexposition des Patienten durch die Schutzmittel bislang nur minimal gesenkt wurde, stand der Patient am Ende auf jeden Fall mit mehr statt weniger Strahlenexposition da. Wie passt das zusammen? Dr. Kai Voss: Logisch passt das natürlich nicht zusammen und hier ist die ADA tatsächlich in ihrer Argumentation etwas zu kurz gesprungen. Im Strahlenschutz haben wir uns weltweit auf den Grundsatz der Strahlenminimierung verständigt. Das ist in den beiden grundlegenden Prinzipien ALARA (As Low As Reasonable Achievable) und ALADA (As Low As Diagnostically Acceptable) zum Ausdruck gekommen. Dazu gehört nicht nur die Einstellung am Gerät, sondern natürlich auch die Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Reduktion der Strahlenexposition – auch der Schutzmittel. Warum argumentiert die ADA dann so? Im Prinzip geht das, was die ADA mit ihrem Vorstoß beabsichtigt, ja in die richtige Richtung – sie wollen den Strahlenschutz verbessern und deshalb den Fokus auf deutlich wirksamere Maßnahmen legen. Vereinfacht gesagt hat ja die bisherige Regelung suggeriert, man müsse sich um Strahlenexposition keine großen Gedanken machen – der Patient sei ja durch Schürze und Kragen geschützt. Dabei ist die Schutzwirkung, wie die neuere Literatur zeigt, nicht so bedeutend, wie man bislang angenommen hatte. In einigen Untersuchungen verschwindet die Strahlenreduktion fast gänzlich im Hintergrundrauschen … … also doch alles weglassen? Das fände ich jetzt auch etwas schwierig. Auch wenn die Strahlenreduktion nur gering ist – warum soll man sie ganz weglassen? Wir haben schließlich den Dosisminimierungsgrundsatz im Strahlenschutz. Die ADA-Autoren führen für ihre Verzichtsempfehlung auch ins Feld, dass Schutzmittel durch mögliche Abschattungen im Röntgenbild hin und wieder Doppelaufnahmen nötig machen. Dr. Kai Voss, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses „Röntgen und Strahlenschutz“ der Bundeszahnärztekammer Foto: Joerg Wohlfromm, jw@werbung.sh

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