Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 06

ZAHNMEDIZIN | 69 zm114 Nr. 06, 16.03.2024, (467) Ja, das kann durchaus passieren und kommt gar nicht mal so selten vor, wenn der Patient beispielsweise einen kurzen Hals hat oder die Schürze am Rücken zu weit hochgezogen wird. Dann kommt die Schürze beim Umlauf des Röntgenstrahlers in den Strahlengang und erzeugt Verschattungen und Auslöschungsartefakte. Das lässt sich im individuellen Fall gut vermeiden, ist jedoch kein generelles Argument gegen Schutzmittel. Für den Schutz der Schilddrüse bei Intraoralaufnahmen kann ohne Nachteile ein Patientenschutzmittel eingesetzt werden. Beim Patientenschutzschild muss jedoch darauf geachtet werden, dass das Schild vom Patienten richtig gehalten wird, das heißt direkt unter dem Kinn und am Hals anschließend. Im Hinblick auf die richtige Positionierung des Schildes ist auch nicht unbedingt auf die Herstellerinformationen Verlass: Ich finde immer wieder Abbildungen, in der die Patienten das Schutzschild irgendwo im Bereich des Schlüsselbeins halten – da nützt es nun wirklich nichts. Einen Schwerpunkt sehen die ADAExperten im digitalen Röntgen. Grundsätzlich soll digital geröntgt werden – das senke die Strahlenexposition für den Patienten. Ganz so pauschal kann man es nicht sagen. Die in der Anfangszeit des digitalen Röntgens häufig genannten Dosisreduktionen des digitalen Röntgens bezogen sich auf die älteren DKlasse-Filme, die ja so gut wie nicht mehr im Gebrauch sind. Bei der Verwendung moderner F-Klasse-Filme fallen beim Analogröntgen in etwa die gleichen Strahlenexpositionen an wie beim digitalen Röntgen. Das sieht man übrigens auch in den Zahlen aus der Studie der ADA-Autoren. Wenn also hier und da noch analog geröntgt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass der Patient nicht notwendiger Strahlendosis ausgesetzt wird. Darüberhinaus bietet das digitale Röntgen viele Vorteile. Die Nutzung angepasster Programme bei den DVT- und OPG-Geräten wie „Low dose“, „Quick shot“ oder spezieller Kinderprogramme hilft, die Strahlenexposition signifikant zu senken. Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht die wichtigsten für den Patientenschutz? Am meisten spart der, der gar nicht röntgen muss. Am Anfang steht immer die Frage, ob sich die diagnostische Frage nicht auch klinisch oder anhand älterer Röntgenaufnahmen beantworten lässt. Wenn die Bildgebung notwendig ist, sollte das Verfahren zum Einsatz kommen, das die diagnostische Frage bei geringstmöglicher Strahlenexposition beantworten kann: Tubusaufnahmen haben in der Regel die geringste Strahlenbelastung gefolgt von Panoramaschichtaufnahmen und DVT. Je höher die zu erwartende Strahlenbelastung ist, desto kritischer sollte die Indikation gestellt werden. Und beim Röntgen selbst sollten alle technischen Möglichkeiten der Dosisreduktion ausgeschöpft werden, wie die Einblendung nur der interessierenden Areale und die Wahl eines geeigneten Programms beim digitalen Röntgen. Zurück zu den Patientenschutzmitteln: In Deutschland haben wir kein einheitliches Meinungsbild der Experten. Die SSK sagt, wir brauchen gar keine Patientenschutzmittel mehr. Sachverständige fordern jedoch, weiterhin Schutzmittel in der Praxis vorzuhalten. Viele Mediziner haben Bedenken bei einem völligen Verzicht. Wer entscheidet eigentlich darüber, was die Praxen machen müssen? Vielleicht zuerst eine Bemerkung zur Strahlenschutzkommission, weil deren Experten sich ja sehr klar gegen Patientenschutzmittel in der Zahnmedizin ausgesprochen haben. Die SSK ist ein wissenschaftliches Beratungsgremium des Bundesumweltministeriums und darf natürlich eine pointierte Meinung haben. Aber mir ist nicht bekannt, dass diese Meinung durch irgendeine Bezugnahme in Gesetzen oder Verordnungen Rechtskraft erlangt hat. Rechtlich bindend ist dagegen der Paragraf 120 der Strahlenschutzverordnung. Da haben wir klare Vorgaben für zwei Zielgruppen: Frauen, mit „bestehender oder nicht auszuschließender Schwangerschaft“ und Kinder beziehungsweise Jugendliche unter 18 Jahren. Hier müssen Patientenschutzmittel zum Einsatz gebracht werden. Es gibt rechtlich keinen Handlungsspielraum. Und wie sieht es bei allen anderen Patienten aus? Hier gibt es keine gesetzliche Vorgabe, wir haben hier nur den allgemeinen Strahlenminimierungsgrundsatz. Habe ich also einen Erwachsenen, der nicht den zwei genannten Gruppen zuzurechnen ist, muss ich die geringere Dosis bei Verwendung der Bleischürze gegen das Risiko von Wiederholungsaufnahmen abwägen. Es besteht also ein gewisser Entscheidungsspielraum. Und hier wird die Position der SSK letztlich doch zur hilfreichen Argumentationshilfe für das zahnärztliche Röntgen. In Zukunft wird nach meiner Einschätzung kein Erwachsener mit einer Klage erfolgreich sein können, in der er moniert, man habe ihm keine Bleischürze angelegt. Der Zahnarzt wird auf die Empfehlungen der SSK verweisen können. Damit entfaltet die SSK-Empfehlung und im weiteren auch die ADA-Empfehlung durchaus Relevanz für unsere Praxen. Das Gespräch führte Benn Roolf. „Im Prinzip geht das, was die ADA mit ihrem Vorstoß beabsichtigt, ja in die richtige Richtung – sie wollen den Strahlenschutz verbessern und den Fokus auf deutlich wirksamere Maßnahmen legen ... Aber warum ganz weglassen?“

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