Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 07

ZAHNMEDIZIN | 71 Kontaktaufnahme mit Zahnmedizinern zu erleichtern, wäre die Einrichtung einer digitalen Plattform nach Ansicht der Mehrheit der Befragten (56,5 Prozent) „sehr hilfreich“. Aktuell wird die DNA-Analyse am häufigsten zur Identifizierung unbekannter Toter eingesetzt. Die Studienautoren weisen jedoch auf das zunehmende Potenzial der forensischen Zahnmedizin hin: Durch die Digitalisierung in den Zahnarztpraxen, etwa den zunehmenden Einsatz von Intraoralscannern, könnten Ante-mortem-Daten künftig zuverlässiger zur Verfügung stehen. Hilfreich für die polizeiliche Arbeit wäre die Einrichtung einer digitalen Plattform für die Kommunikation mit der Zahnmedizin. Im Ergebnis kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Studie die Vielfältigkeit der Herangehensweise der Länderpolizei bei der Identifizierung unbekannter Toter in den einzelnen Dienststellen aufgezeigt hat. Während bei allen Befragten grundlegendes Wissen über die Bedeutung des Zahnstatus als primärer Marker vorhanden war, offenbarten sich teilweise Lücken im detaillierten Verständnis der spezifischen Teilaspekte, die in Identifizierungsprozessen zum Tragen kommen können. Strukturierte bundesweite Fort- und Weiterbildungen für Polizeikräfte könnten den Autoren zufolge hier Abhilfe schaffen. Oft fehlt ein zahnmedizinischer Ansprechpartner vor Ort Dass auch nach erwiesenen Erfolgen in Großschadenslagen noch immer eine Tendenz zur kosten- und zeitintensiven DNA-Analyse in der Beauftragung besteht, scheint demnach häufig mit fehlenden zahnmedizinischen Ansprechpartnern vor Ort einherzugehen, sowie mit den Limitationen bei der Akquise antemortaler Daten. Die Datenakquise könnte aber mit der zunehmenden Digitalisierung in der zahnärztlichen Niederlassung und im universitären Umfeld zukünftig erleichtert werden, bilanzieren die Wissenschaftler. Und Forschungsansätze im zahnmedizinischen Bereich zu weiteren individuellen Merkmalen in der Mundhöhle, zusätzliche Identifizierungsmethoden sowie KI-basiertes Matching könnten künftig zur Verbreitung und zum Erfolg der forensischen Zahnmedizin beitragen. br, ck Die Kontaktaufnahme zu Zahnärzten zwecks Abgleich post mortem erfolgt laut den Befragten zu 25,8 Prozent (n = 16) über digitale Medien, zu 19,4 Prozent (n = 12) über Printmedien (Zeitschriften wie die Zahnärztlichen Mitteilungen ) und zu 11,3 Prozent (n = 7) über Fachkreise (wie den Arbeitskreis für forensische Odontostomatologie). Die Studie: Bjelopavlovic, M., Badt, F., Lehmann, KM et al.: Verwendung von forensischer Zahnmedizin zur Identitätsfeststellung. Eine Befragung auf Ebene der Länderpolizei. Bundesgesundheitsbl 66 , 1268–1276 (2023). https://doi.org/10.1007/s00103-023-03769-2 zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (569) Analyse der angewandten Identifizierungsmethoden, geschätzte Verteilung in Prozentzahlen: Unter sekundären Merkmalen werden beispielsweise Tätowierungen und getragene Kleidung verstanden. Foto: [Bjelopavlovic et. al., 2023] ZUSAMMENARBEIT MIT ZAHNÄRZTEN In der Zusammenarbeit mit den Zahnmedizinern gibt es grundsätzlich zwei Kontaktpunkte für die Polizeikräfte: die postmortale Befundung am Leichnam und die Akquise antemortaler Daten von Zahnärzten in der Niederlassung oder in Universitäten, die den Toten zu Lebzeiten behandelt haben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Beamte bei Anfragen zu antemortalen Daten oft keine Antwort erhielten: Nur 40,3 Prozent kreuzten „immer“ an. „Bei einer polizeilich geforderten Rückmeldung scheint das ungewöhnlich“, urteilen die Autoren. Die Befragten gaben mit 61,3 Prozent am häufigsten an, dass eine Antwort aus ihrer Sicht von „gut geführten Patientenakten mit vollständigem Zahnstatus (ante-mortem)“ abhängig ist. Die zweithäufigste Antwort mit 56,5 Prozent lautete: „eindeutiger Zahnstatus post-mortem". Die logisch erscheinende saisonale Abhängigkeit der Antworten von Sommer- und Urlaubszeiten wurde hingegen nur von 6,5 Prozent der Befragten angekreuzt. Dieses Phänomen konnte sowohl beim Einsatz in der Ahrtal-Katastrophe zu Beginn der Ferienzeit als auch bei den Anschlägen auf dem Breitscheidplatz in Berlin zur Weihnachtszeit beobachtet werden, da einige Zahnärzte urlaubsbedingt schwieriger zu erreichen waren. Zusätzlich wurde die Modernität der Praxen von 27,4 Prozent der Befragten als Faktor für Rückmeldungen angekreuzt. Eine moderne Ausstattung der Zahnarztpraxis ermöglicht eine schnelle und effiziente Abrufbarkeit von Daten, zum Beispiel von Röntgenbildern, was im Rahmen von Massenkatastrophen mit Zeitersparnis im Identifizierungsprozess einhergehen würde.

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