zm114 Nr. 08, 16.04.2024, (618) 28 | TITEL Der Zahnarztmangel in manchen Regionen auf dem Land – immer mehr Patienten strömen in immer weniger Praxen – führe zu Druck auf beiden Seiten, teilte eine Zahnärztekammer mit. Neupatienten müssten länger auf einen Termin warten, würden ungeduldig und hätten vielleicht auch unrealistische Erwartungen an die Behandlung. Hinzu komme eine steigende Zahl von Patienten mit Migrationshintergrund, die oft nicht vertraut sei mit dem Gesundheitssystem in Deutschland und teils überzogene Ansprüche an die Versorgung habe, schreibt eine Kammer und bittet um Anonymität. Zahnärzte trauten sich oft nicht, dieses Problem zu benennen aus Sorge, als Rassisten abgestempelt zu werden. Besser einen ätzenden Patienten verlieren als einen verängstigten Mitarbeiter! Wie reagiert man nun als Inhaberin und Inhaber auf diese Gefahr? „Tatsächlich hat sich jeder Praxischef als Arbeitgeber im Rahmen der sogenannten Fürsorgepflicht für seine Angestellten einzusetzen, ihnen Schutz und Fürsorge zukommen zu lassen“, erinnert Bernhard Kinold, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Mönchengladbach. Daraus ergebe sich zwangsläufig auch die Verpflichtung, die Mitarbeitenden bestmöglich vor Übergriffen durch Patienten zu schützen. In jedem Fall sei mäßigend auf den übergriffigen Patienten einzuwirken, sagt er. „Im Extremfall kommt auch ein Betretungsverbot für die Praxisräume in Betracht. Wird in einer gefährlichen Situation nicht gehandelt, besteht die Verletzung der Fürsorgepflicht. Kommt es schlimmstenfalls zu einer Verletzung von Mitarbeitenden durch Patienten, weil der Praxisinhaber sich nicht ausreichend gekümmert hat, sind auch Schadensersatzansprüche einschließlich Schmerzensgeld wegen Verletzung der Fürsorgepflicht denkbar. Im Zweifel verliert man also besser einen aggressiven Patienten als einen verängstigten Mitarbeiter!“ Und was ist mit Notwehr? „Das Strafgesetzbuch räumt den Geschädigten und beobachtenden Dritten die Handlungsmöglichkeit der Notwehr beziehungsweise Nothilfe ein, um gegenwärtige Angriffe gegen geschützte Rechtsgüter abwehren zu können, um schlimmere Verletzungsfolgen abzuwenden." Das bedeute, dass man tätig werden darf, um sich oder andere sowie auch Eigentumswerte zu schützen. Diese strafrechtlich gedeckte Gegenwehr sei jedoch nur erlaubt, solange der Angriff noch andauert oder unmittelbar bevorsteht. Was aber auch heiße, dass man unverzüglich einschreiten muss, wenn sich eine gefährliche Situation anbahnt. Dann, und nur dann, sei eine Gegenwehr „geboten“. Darauf weist auch der vor zwei Jahren im Zahnärzteblatt Sachsen erschienene „Leitfaden für Notwehr in der Zahnarztpraxis“ hin (siehe QR-Code). In besonders schwerwiegenden Fällen kann die Praxis auch eine Behandlung oder deren Weiterführung ablehnen, weil das Vertrauensverhältnis zerstört ist. Der Sachverhalt sollte dann unbedingt dokumentiert werden. Allerdings bleibt die Pflicht des Zahnarztes bestehen, bei einem Notfall zu helfen. Bei Unsicherheiten können die Rechtsabteilung der Kammern beratend zur Seite stehen. Der Virchowbund fordert übrigens schon lange eine Gesetzesanpassung, wonach Ärzte in den Paragrafen, in denen es um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geht, jenen gleichgestellt werden. LL DIESE SECHS TYPEN SIND BESONDERS SCHWIERIG n Der Herrscher: Er tritt anmaßend und einschüchternd auf. Machen Sie von vornherein deutlich, welche Leistungen in der Praxis erbracht werden können und welche nicht. n Der Besserwisser: Er hat sich (zum Beispiel via Doc Google) informiert und will mitreden: Ihn sollten Sie nicht mit Hinweis auf fehlende Fachkenntnis ab-, sondern im Gegenteil durch Hinweis auf sein bereits erreichtes Know-how aufwerten. n Der Dauernörgler: Er kommt trotz der Unzufriedenheit über die bereits erfolgten Behandlungen immer wieder in die Praxis. Am besten begegnen Sie ihm mit ausgesuchter Freundlichkeit. n Der Querulant: Er kennt nur sein Recht und verbindet damit immer rigorosere Forderungen. Hier hilft nur eine klare Dokumentation und eine strenge Abgrenzung. n Der Patient mit psychischen Problemen: Er kommt mir einer großen Last aus privaten und beruflichen Problemen, Krisen und Schicksalsschlägen in die Praxis. Hier ist empathisches Zuhören gefragt, aber im Redestrom sollten Sie das Gespräch unbedingt immer wieder auf das aktuelle zahnärztliche Problem zurückführen. n Der manifest psychisch Kranke: Er erfordert je nach Erkrankung eine erhöhte Aufmerksamkeit im Spannungsfeld zwischen Zuwendung und Distanz. Bei akut wahnhaft Erkrankten sollten Sie darauf achten, ob die geschilderte Symptomatik der Erkrankung entspringt und er das Praxisteam in sein Wahnsystem aufnimmt. Zuwendung und Zuspruch sind wichtig, man darf sich aber nicht klammern lassen. Bei Persönlichkeitsstörungen aller Art ist der Abstand besonders wichtig. Dr. med. Martin J. Gunga, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie 1 3 5 4 6 2 6 TYPEN Leitfaden für Notwehr in der Zahnarztpraxis
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