Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 08

TITEL | 29 zm114 Nr. 08, 16.04.2024, (619) INTERVIEW MIT DEM DEESKALATIONSEXPERTEN DOMINIK LANSEN „Reagieren Sie nicht emotional!“ In brenzligen Situationen ist es wichtig, den Ernst der Lage schnell zu erkennen, um dann möglichst besonnen zu handeln. Worauf es dabei ankommt und wie man das Team vorbereitet, schildert der Deeskalationstrainer Dominik Lansen. Wie kann ein Sicherheitskonzept zum Schutz des Praxispersonals aussehen? Dominik Lansen: Es sollte sowohl präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Übergriffen als auch Reaktionsstrategien umfassen. Dazu gehören zum einen physische Sicherheitsmaßnahmen wie die Installation von sicheren Türsystemen und Videoüberwachung zur Abschreckung und Dokumentation. Das ist insbesondere bei nächtlichen Notdiensten relevant, um den Zugang zu den Praxisräumen zu kontrollieren. Beim Einsatz von Überwachungskameras in den öffentlichen Bereichen der Praxis muss man selbstverständlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Datenschutzes beachten. Sinnvoll kann auch ein Notrufsystem mit leicht erreichbaren Notrufknöpfen, Alarmanlagen oder Codewörtern sein, mit dem das Personal im Ernstfall schnell Hilfe holen kann. Gestalten Sie Warteund Arbeitsbereiche möglichst sicher, so dass eine gewisse Distanz zwischen Patienten und Personal gewahrt bleibt. Minimieren Sie potenzielle Gefahrenquellen in Form von Gegenständen, diealsWaffen benutzt werden können. Zum Konzept gehört dann auch ein Selbstschutztraining, sprich Selbstverteidigung. Solche Trainings vermitteln Techniken und Strategien, um körperlichen Angriffen sicher und effektiv zu begegnen, ohne den Angreifer oder sich selbst unnötig zu gefährden. Letztendlich rate ich noch zu einer ausformulierten Dienstanweisung als eine klare Richtlinie zum Umgang mit aggressivem Verhalten und Übergriffen. Diese sollte dann jedes Teammitglied kennen und sich daran orientieren. Sie umfasst spezifische Deeskalationstechniken, Erste-Hilfe-Maßnahmen in Konfliktsituationen und den Einsatz von Kommunikationsstrategien, um Situationen zu beruhigen und die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten. Durch regelmäßiges Training und Vergegenwärtigen dieser Richtlinien werden die Mitarbeitenden befähigt, in Gewaltsituationen souverän und besonnen zu handeln. Sicherheitsmaßnahmen sind das eine. Aber im Ernstfall muss man auch mental stark bleiben. Wie gelingt das? Die mentale Unterstützung innerhalb eines Sicherheitskonzepts halte ich für eine ganz wesentliche Komponente. Sie stärkt die Resilienz der Mitarbeitenden und ist selbst Teil eines unterstützenden Arbeitsumfelds. Denn dabei werden die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten gefördert, was besonders wichtig ist, da sie im Gesundheitswesen häufig hohem Stress und emotional belastenden Situationen ausgesetzt sind. Ein Sicherheitstraining sollte also auch immer das Ziel haben, die mentale Kraft der Mitarbeitenden zu stärken, indem es ihnen Handlungssicherheit vermittelt und sie dadurch selbstbewusster macht. Dazu gehören Techniken der Stressbewältigung, der Achtsamkeit und der Selbstfürsorge. Wie kann das Team in einer aufgeladenen Situation am besten deeskalierend wirken? Gelingt es, ruhig zu reagieren, kann das helfen, die Situation zu entschärfen. Sicherheit hat aber immer Vorrang: Achten Sie auf Ihre eigene Sicherheit und die der Patienten und Kollegen. Hören Sie zu, zeigen Sie Einfühlungsvermögen und vermeiden Sie konfrontative Sprache. Wenden Sie keine Einschüchterungstaktiken an, um den Patienten zu kontrollieren. Drohen Sie ihm nicht. Vermeiden Sie alles, was als Herausforderung oder Konfrontation verstanden werden könnte, sowohl in der Sprache als auch in der Körpersprache. Lassen Sie sich nicht auf eine körperliche Auseinandersetzung ein, es sei denn, sie ist zur Selbstverteidigung absolut notwendig. Versuchen Sie nicht, die Situation allein zu meistern. Vermeiden Sie auch, emotional zu reagieren oder sich auf eine verbale Auseinandersetzung einzulassen, die die Lage verschlimmern könnte. Setzen Sie sich oder andere keinen unnötigen Risiken aus, indem Sie versuchen, den Patienten ohne angemessene Unterstützung oder Sicherheitsvorkehrungen zu beruhigen. Bitten Sie um Unterstützung, wenn es die Situation erfordert. Halten Sie einen angemessenen Abstand zum Patienten, um sich selbst zu schützen. Dokumentieren Sie den Vorfall detailliert, sobald die Situation sicher ist, für zukünftige Referenzen und mögliche rechtliche Schritte. Außerdem kann ich aus Erfahrungen sagen: Je stärker der Teamgeist ist, desto besser können Mitarbeitende gut reagieren. Sie spüren eine Art RückenDeeskalationstrainer Dominik Lansen Foto: Dominik Lansen

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