PRAXIS | 37 zm114 Nr. 08, 16.04.2024, (627) KOMMENTAR VON DR. DAVID KLINGENBERGER, IDZ KÖLN „VIELE ZAHNARZTPRAXEN FINDEN KEINE NACHFOLGER“ Der Markt für den Verkauf und Kauf von Zahnarztpraxen hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten spürbar verändert. So sank die Anzahl der an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Zahnärzte (Praxisinhaber) um über 7.000 beziehungsweise um 15 Prozent (Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, KZBV 2023). Parallel nahm die Anzahl der angestellten Zahnärzte allerdings rasant um etwa 17.700 beziehungsweise 280 Prozent zu (Bundeszahnärztekammer 2023). Dieses zweigeteilte Bild illustriert auf der einen Seite, dass die vertragszahnärztliche Versorgung weiterhin gewährleistet ist – die nachrückenden Zahnärzte kommen größtenteils in der Patientenversorgung an. Die helle Seite des Bildes wirft jedoch zugleich einen dunklen Schatten auf die Perspektiven des zahnärztlichen Berufsstandes, zeigt sie doch in aller Deutlichkeit, dass die Nachfrage nach Praxisübernahmen spürbar rückläufig ist. Aus dem einstigen Nachfrageüberhang ist seit 2007 ein Angebotsüberhang geworden (Abbildung). Im Zeitraum zwischen 2005 und 2022 standen im Durchschnitt 1.938 Abgängen aus der vertragszahnärztlichen Versorgung lediglich 1.371 Zugänge gegenüber. Hier klafft also eine erhebliche Lücke von jährlich 567 fehlenden potentiellen Existenzgründerinnen und Existenzgründern. Die Abbildung verdeutlicht, dass die Kluft auch nicht zwischenzeitlich wieder schmaler geworden wäre, sondern sich seit 2017 tendenziell noch vergrößert hat. Zu der jüngsten Entwicklung dürfte wohl auch die ambivalente Rolle der Medizinischen Versorgungszentren beigetragen haben. Diese treten, soweit es sich nicht lediglich um eine Umfirmierung bereits bestehender Praxen handelt, einerseits als Nachfrager auf dem Praxisabgabemarkt auf. Andere potentielle Nachfrager in deren Umkreis werden andererseits von einer Niederlassung abgeschreckt. Und die MVZ vergrößern zusätzlich das Angebot an Anstellungsverhältnissen für den zahnärztlichen Nachwuchs, der dann die Entscheidung für eine Niederlassung in eigener Praxis verschiebt oder gar verwirft. Ein weiteres Phänomen kommt verschärfend hinzu: Ein gewisser Anteil der Neuniederlassungen geht nämlich nicht mit der Übernahme einer Praxis einher, sondern stellt eine komplette Neugründung dar. Im Jahr 2005 entfiel auf Neugründungen noch ein Anteil von über 21 Prozent aller zahnärztlichen Existenzgründungen, schließlich gab es zur dem Zeitpunkt noch den beschriebenen Nachfrageüberhang, das heißt, nicht jeder Interessent konnte im Jahr 2005 eine Praxis übernehmen. Der Anteil der Neugründungen ist seither kontinuierlich gefallen und liegt derzeit bei etwa 12 Prozent. Manche Existenzgründenden bevorzugen generell eine reine Neugründung, da sie mehr Freiheiten bietet und man sich nicht an den Usancen und Strukturen der früheren Praxisinhaber orientieren muss (Klingenberger 2018). Die Befragung der apoBank zur Praxisund Apothekenabgabe vom Oktober 2023 ergab einen durchschnittlichen Anteil von 11 Prozent, in denen für die Praxis oder Apotheke kein Nachfolger gefunden wurde. Generell ist die demographische Situation für Haus- und Fachärzte, Zahnärzte und Apotheker vergleichbar – hier ist also fachübergreifend generell mit einem Angebotsüberhang zu rechnen. Die obige Skizzierung der momentanen Situation macht aber auch deutlich, dass zumindest in der zahnärztlichen Welt derzeit ein deutlich höherer Anteil der abzugebenden Praxen keine Nachfolgerin und keinen Nachfolger findet. Je nach Region dürfte realistischerweise etwa ein Fünftel bis ein Drittel der Abgänge aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ohne „happy end“ einer Praxisnachfolge bleiben, mit allen Folgen für die Altersversorgung der ausscheidenden Zahnärztinnen und Zahnärzte. Dr. rer. pol. David Klingenberger, Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) Köln, April 2024 Bundeszahnärztekammer, BZÄK (2023): Statistisches Jahrbuch 2022/2023. Berlin. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) (2023): Jahrbuch 2023: Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Einschliesslich GOZ-Analyse. Köln: KZBV. Klingenberger, David (2018): Die zahnärztliche Niederlassung. Stand der Forschung zur Praxisgründung. Köln: Deutscher Zahnärzte Verlag DÄV (IDZ-Materialienreihe, Bd. 36). Die Zahl der an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnärzte zeigt: Ein deutlich höherer Anteil der abzugebenden Praxen findet keine Nachfolgerin und keinen Nachfolger. AN DER VERTRAGSZAHNÄRZTLICHEN VERSORGUNG TEILNEHMENDE ZAHNÄRZTE Zugänge 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Abgänge Quelle: apoBank-Umfrage 2023
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