ZAHNMEDIZIN | 41 Zahnhartsubstanzverlusten (Zahnverschleiß). Deshalb weist die BruxismusLeitlinie darauf hin, dass zur Therapie der Bruxismusfolgen restaurative Behandlungen erforderlich werden können [Peroz et al., 2019]. Im Sinne der obigen Feststellung zielen diese aber nicht auf eine kausale Beseitigung des Bruxismus ab, sondern auf den Erhalt durch Zahnverschleiß geschädigter und bedrohter Zähne. Welche Therapieform ausgewählt wird, hängt von der individuellen Situation ab. Erforderlich ist somit eine strukturierte Diagnostik des Zahnverschleißes als Grundlage der individuellen Entscheidung über die Indikation restaurativer Therapien. Ätiologie und Morbidität Zahnverschleiß (toothwear) bezeichnet alle Formen von nichtkariösem Zahnhartsubstanzverlust. Dessen Ätiologie liegt entweder in chemischen Ursachen, die zu Erosionen führen, und/ oder in mechanischen Ursachen. Letztere werden unterschieden in Abrieb durch Zähneknirschen (Attritionen) oder im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme (Abrasionen beziehungsweise Demastikationen). Studien zum Ausmaß des Zahnverschleißes zeigen eine hohe Variabilität, mit physiologischen Verlustraten zwischen 28 µm [Lambrechts et al., 1984] und 64 µm [Xhonga, 1977] pro Jahr, verglichen mit bis zu 500 µm pro Jahr bei pathologischem Substanzverlust [Seligman und Pullinger, 1995]. Die Häufigkeit erhöhter Verschleißraten nimmt dabei offenbar zu, besonders bei Jugendlichen [Van't Spijker et al., 2009; El Aidi et al., 2010] und besonders gefährdeten Patientengruppen [Bartlett et al., 2013]. Wegen der gravierenden Folgen im fortgeschrittenen Stadium ist die frühzeitige Identifikation wichtig. Wünschenswert ist dabei vor allem eine differenzierte Diagnostik, um die Ursachen aufzudecken und nach Möglichkeit zu behandeln. Diagnostik Aus diesem Grund sind über die Jahre verschiedene Vorschläge zur Erfassung und Bewertung von Zahnverschleiß veröffentlicht worden, unter anderem von einer skandinavischen Arbeitsgruppe [Hugoson et al., 1988; Hugoson et al., 1996], einer niederländischen Arbeitsgruppe [Wetselaar et al., 2009; Vervoorn-Vis et al., 2015; Wetselaar und Lobbezoo, 2016; Wetselaar et al., 2016] sowie aus der Schweiz [Bartlett et al., 2008]. Verbreitet in der Zahnerhaltung ist die Basic Erosive Wear Examination (BEWE), die den Flächenanteil nichtkariöser Erosionen an den Zahnoberflächen erfasst, allerdings nur als ein Screening, ohne nachgelagertedifferenzierte Diagnostik. Eine mehrstufige Diagnostik inklusive der Erfassung chemischer und mechanischer extrinsischer und intrinsischer Zahnverschleißursachen ermöglicht das Tooth Wear Evaluation System[Wetselaar und Lobbezoo, 2016]. Ein Jahr nach dessen Veröffentlichung wurde im Konsensus-Statement zur Therapie erheblichen Zahnverschleißes das Kriterium der Pathologie des Zahnverschleißes eingeführt [Loomans et al., 2017], um Überbehandlungen bei beschwerdefreien Patienten zu vermeiden. Zu der flächenhaften oder volumetrischen Erfassung des Ausmaßes und der Ursachen von Zahnverschleiß kommt so zusätzlich die Bewertung der pathologischen Relevanz. Das unter Beteiligung des Autors entwickelte Tooth Wear Evaluation System (TWES) 2.0 [Wetselaar et al., 2020] zm114 Nr. 08, 16.04.2024, (631) Abb. 2: Ausgangssituation des 39-jährigen Patienten, lateral rechts, frontal und lateral links, Seitenansichten in dynamischer Okklusion für bessere Erkennbarkeit der Zahnkonturen: Sichtbar ist der Verlust der Front-Eckzahn-Führung infolge des Zahnverschleißes, einhergehend mit Zahnverschleiß im Bereich der Seitenzahn-Kauflächen sowie zervikalen Abfraktionen. In der Folge ist es zu einem Verlust an vertikaler Dimension gekommen. a Abb. 3: Die Bissflügelaufnahmen rechts und links zeigen kariesfreie Zähne (Ausnahme: Zahn 16), die okklusal die Schmelzbedeckung komplett verloren haben. a b Foto: M. Oliver Ahlers b c
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