ZAHNMEDIZIN | 49 zm114 Nr. 08, 16.04.2024, (639) Auch wenn Restaurationen nach Möglichkeit vermieden werden sollten, ist deren Verfügbarkeit für die Betroffenen individuell höchst wichtig, weil sie bestehende Schmerzen beseitigt, die verlorengegangene Kauleistung wiederherstellt und ästhetische und nicht zuletzt auch phonetische Einschränkungen aufhebt. Bei dem in den Abbildungen beschriebenen Fall korrelierte der erhebliche Zahnverschleiß mit der Lokalisation der Zahnschmerzen des Patienten. Direkte Restaurationen mit Kompositen hatten keinen Bestand. Die durchgeführte restaurative Behandlung hingegen hat Bestand, die Schmerzen waren danach umgehend verschwunden und sind seit zehn Jahren nicht wiedergekehrt. Dabei führt die Verfügbarkeit hochfester Dentalkeramiken heute zu viel weniger invasiven Restaurationen als früher durchgängig übliche metallkeramische Kronen, und die Transluzenz der keramischen Werkstoffe ermöglicht zudem natürlichere Restaurationen. Der beschriebene Behandlungsfall zeigt, wie eine mehrstufige Zahnverschleiß-Diagnostik im Praxisalltag umgesetzt wird, mit initialem Zahnverschleiß-Screening und einer im Bedarfsfall erfolgenden erweiterten Diagnostik per Zahnverschleiß-Status. Das minimalinvasive Vorgehen entspricht damit dem Konzept der präventionsorientierten Zahnheilkunde der Bundeszahnärztekammer, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Dabei erlaubt das ZahnverschleißScreening, auffällige Behandlungsfälle mit geringem Aufwand zu entdecken. Nur in diesen Fällen bedarf es eines Zahnverschleiß-Status zur vollständigen Kartierung. Die Erfassung der Verschleißwerte ist nach vorliegenden Studien zuverlässig, sowohl für die Inspektion intraoral als auch für die Bewertung auf der Grundlage von Kiefermodellen und Fotos [Wetselaar et al., 2016]. Eine weitere Studie aus den Niederlanden zeigte außerdem, dass prinzipiell die Auswertung auch auf der Basis einer Datenakquisition per Intraoralscanner möglich ist. Die Auswertung erfolgt in dem Fall wie mit analogen Kiefermodellen. Denkbar wäre es, auf dieser Grundlage wiederholte Intraoralscans zu erstellen, zu matchen und so per Differenzberechnung die Progredienz des Zahnverschleißes zu beurteilen. Dies ist aber nur zuverlässig, wenn die Intraoralscans deutlich genauer sind als der nach Studienlage zu erwartende jährliche Zahnverschleiß [Lambrechts et al., 1984; Xhonga, 1977]. Dies ist derzeit noch nicht Fall. Schon heute erkennbar wäre allenfalls eine pathologische Zunahme von Zahnverschleiß, wie an anderer Stelle bereits quantifiziert [Seligmann und Pullinger, 1995]. Neue Studien der Arbeitsgruppe aus Hamburg und Amsterdam konnten zudem zeigen, dass es bereits unerfahrenen Anwendern gelingt, auf Grundlage der Befunde recht zuverlässig die entsprechenden Diagnosen zu stellen, und dass sich mit mehr Schulung die Qualität verbessert [Roehl et al., 2022, 2024]. n Hinweis zu Interessenkonflikten: Das dargestellte Vorgehen basiert auf der Originalpublikation des Tooth Wear Evaluation System (TWES) 2.0 [Wetselaar et al., 2020] und wurde frei von jeglichen Fremdeinflüssen entwickelt. Die in der Behandlung des Patientenfalls genutzte Befundsoftware hat der Autor zur Umsetzung des TWES 2.0 entwickelt (Autorenvertrag). Alle im Beispielfall verwandten Materialien wurden für die Behandlung regulär von der Praxis eingekauft. Die Hersteller konnten keinen Einfluss auf den Einsatz der Medizinprodukte in der Behandlung nehmen und es erfolgten keine bezahlten Studien unter Einsatz der genutzten Medizinprodukte.
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