zm114 Nr. 08, 16.04.2024, (670) 80 | GESELLSCHAFT und freundschaftlichen Begegnungen. Während der Behandlung dürfen sich alle ihre Musik aussuchen, das macht die gesamte Atmosphäre entspannt und nimmt Angst. Sind aus Ihren Mitarbeitenden inzwischen richtige Metalheads geworden? Nein, die Gehirnwäsche durch Dauerbeschallung hat nicht funktioniert – leider (lacht). Nur ein Mitarbeiter hört mittlerweile auch privat ein paar „meiner“ Bands. Der Umgang im Team mit Metal- und Rockmusik(ern) teils auch Promis der Szene, die mein Team gar nicht erkennt, ist aber super entspannt geworden. Früher haben meine Mitarbeiterinnen eher auf Charts oder Oldies umgeschaltet, wenn ich nicht in der Praxis war. Jetzt lassen sie meinen Kram einfach immer laufen. Und wenn ich da bin, freuen sie sich, wenn ich mich freue, und einen Song, den sonst keiner kennt, laut aufdrehe und mitsinge. Apropos singen: In Ihrer Freizeit treten Sie als Sängerin auf. Woher stammt Ihre Leidenschaft für die Musik? Musik hat in meinem Leben schon immer eine Rolle gespielt, weil meine Eltern beide Musik machen. Meine Mutter ist Sängerin und hat mit meinem Vater in einer Band gespielt. Außerdem war sie Krankenschwester und medizinische Gutachterin, woher meine Verbindung zur Medizin und zu diesem Berufsmix kommt. Ich war oft dabei, wenn meine Eltern zum Beispiel auf Straßenfesten aufgetreten sind und habe dadurch die Welt der Rock- und Livemusik kennengelernt. Ich habe früh Klavier spielen gelernt und sang im Chor. Als Jugendliche hat es mich dann in Richtung Metal, Rock und Grunge verschlagen. Der Einstieg kam damals durch Slipknot, Pearl Jam, Nirvana, Limp Bizkit und ähnliche Bands. Dort bin ich irgendwie kleben geblieben – auch wegen des Typs Mensch, dem man in dieser Szene begegnet. Was mögen Sie da genau? Menschen, die Metal und Rock lieben, sind einfach total entspannt, nett, friedliebend und intelligent. Da darf man sich nicht von Äußerlichkeiten und Vorurteilen irreführen lassen. Uns verbindet außerdem ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Das hat sich für mich gezeigt, als ich mit dem Zahnmedizinstudium den Weg zu einem etablierten, vermeintlich spießigen Job eingeschlagen habe. Früher dachte ich, ich muss mich für eine der beiden Welten entscheiden. Ich habe das dann irgendwann bei einem Bierchen bei meinen Freundinnen und Freunden angesprochen und gefragt, ob ich für sie überhaupt noch richtig dazugehöre. Alle sagten, dass sie es gut finden, was ich mache, und dass sie stolz auf mich sind. Das Feedback hat mich überwältigt, ich war sehr gerührt. Heute fühle ich mich richtig wohl mit diesem Yin und Yang von Beruf und Musik und bin froh, mich nie nur für eins von beiden entschieden zu haben. Bühnenerfahrung hat doch sicherlich Vorteile für jemanden, der eine Praxis führt? Stimmt, das hilft mir sehr im Job. Ich habe überhaupt keine Scheu, offen auf die Patientinnen und Patienten zuzugehen. Es hat mir auch das Selbstbewusstsein gegeben, offen meine Meinung zu sagen und dafür einzustehen. Ich bin einfach generell ein leidenschaftlicher Typ, das zeigt sich sowohl im Job in der Praxis als auch im Privatleben und auf derBühne. Bei einer Praxis mit neun Angestellten und allen Aufgaben, die zur Niederlassung gehören – wie oft kommen Sie neben der Arbeit eigentlich noch zum Singen? Seitdem ich die Praxis übernommen habe, kommt das Singen tatsächlich etwas zu kurz. Leider. Das wird auch in Zukunft erst einmal so bleiben, denn ich habe vor kurzem ein weiteres Projekt gestartet, in das ich viel Zeit investieren möchte: Im Sommer erwarten mein Mann und ich unser erstes Kind. Aber irgendwann, das steht fest, werde ich wieder regelmäßiger auf der Bühne stehen. Was bedeuten Rock und Metal als Lebensphilosophie für Sie – auch für Ihre Arbeit als Zahnärztin? Dass ich mir selbst treu bin, ohne mich zu verstellen, und ich mein lockeres Musiker-Ich mit in die Praxis nehme. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass in meiner Praxis viel und entspannt geduzt wird. Oder, dass ich vor Patientinnen, Patienten und meinem Team viel von mir preisgebe, aber natürlich auch fachlich ernst und versiert meine Frau stehe. Mich beflügelt und inspiriert die Musik, aber vor allem ist sie mein Ausgleich. Diese Lebensphilosophie bedeutet für mich auch, dass ich Patientinnen und Patienten nicht nach ihrem Anschein bewerte. Während meiner Kneipen- und Nachtlebenzeit habe ich auf dem Kiez viele ganz unterschiedliche Menschen kennengelernt und lasse mich schon lange nicht mehr, weder vom äußerlichen Eindruck noch der Gehaltsklasse, beeinflussen. Wir finden für jede und jeden die passende Lösung. Und, Hand aufs Herz: Wer rechnet denn im Gegenzug schon damit, seine Zahnärztin in zerrissenen Jeans, Gummistiefeln, mit Schlamm im Gesicht und einem Dosenbier (aber auch gern mal einem Schampus) in der Hand auf einem Metalfestival zu begegnen?! Äußerlichkeiten täuschen eben manchmal. Das Gespräch führte Susanne Theisen. Aus ihren Mitarbeitenden sind zwar trotz musikalischer „Dauerbeschallung“ keine Metalheads geworden, sagt Maßlo-Calmer (2.v.l.), gut verstehen tun sich trotzdem alle. Sieht man. Foto: Sturmsucht/Chris Zielecki
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