Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 09

64 | ZAHNMEDIZIN zm114 Nr. 09, 01.05.2024, (750) VON DER ANÄSTHESIE BIS ZUR SEDIERUNG Was gibt es Neues in der zahnmedizinischen Schmerzkontrolle? Isabel Becker, Peer W. Kämmerer Eine schmerzfreie Behandlung ist eine „Visitenkarte“ für die Zahnarztpraxis. Gerade neue Patientinnen und Patienten entscheiden nicht selten anhand dieses Kriteriums, ob sie wiederkommen oder sogar eine Praxis weiterempfehlen. Die zahnmedizinische Schmerzausschaltung umfasst die drei Säulen Lokalanästhesie, Analgesie und Sedierung. Der aktuelle wissenschaftliche Stand findet sich im neu erschienenen Buch „Schmerzkontrolle in der Zahnmedizin“. Für die zm haben zwei der Autoren ein kurzgefasstes Update erstellt. Viel hilft viel! Oder? Dieses Dogma ist in der Schmerzkontrolle inzwischen obsolet. Ein gutes Beispiel dafür ist die Dosierung des Adrenalinzusatzes bei der Lokalanästhesie. Viele glauben, „forte“ mit einem Adrenalinzusatz von 1:100.000 wirke stärker und besser, doch tatsächlich verlängert sich lediglich die Wirkdauer. Die Komplikationsrate steigt dafür im Gegensatz zu 1:200.000 sogar erheblich (Abbildung 1). Auch in der zweiten Säule der Schmerzausschaltung – der Analgesie – muss es nicht immer das stärkste Schmerzmittel sein, auch Kombinationen können gleichwertige oder gar verbesserte analgetische Effekte erzielen. Zu guter Letzt ist es bei der Sedierung besonders wichtig, bei den eingesetzten Pharmaka auf eine strenge Einhaltung der Maximaldosen zu achten, um zu tiefe Sedierungsstadien und damit Risiken zu vermeiden. So lässt sich insgesamt postulieren, dass die Schmerzkontrolle in der zahnärztlichen Praxis immer individuell an die Patientin oder den Patienten angepasst werden sollte. Lokalanästhesie: Techniken und Dosierung zeitgemäß einsetzen Die erste Säule der Schmerzausschaltung in der zahnärztlichen Praxis ist die Lokalanästhesie. Zahnärztinnen und Zahnärzten stehen verschiedenste Lösungen mit ihren jeweiligen Vorund Nachteilen zur Verfügung. Im Nachtdienst fällt die Wahl bei starken Schmerzen gegebenenfalls eher auf ein länger anhaltendes Anästhetikum wie Bupivacain [Gordon et al., 2010], während Behandelte im Tagdienst oft wieder schnell einsatzfähig sein möchten und eine kürzere Betäubung, zum Beispiel mit einem reduzierten Adrenalinzusatz (je nach Indikation), ausreicht. Das in Deutschland am meisten genutzte Lokalanästhetikum ist mit einem Anteil von über 90 Prozent Articain [Halling, 2015]. Es besitzt die besondere Eigenschaft, sowohl von Cholinesterasen im Blut als auch von der Leber metabolisiert zu werden. Daher gilt es auch bei Risikogruppen als Mittel der Wahl, unter anderem für Schwangere, für Kinder und Senioren sowie für Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen der Leber und der Nieren [Fatori Popovic et al., 2016; Steffen und Stratigaki, 2019; Oertel et al., 1999]. In der Regel wird Articain mit einem Adrenalinzusatz von 1:100.000 verwendet. Liegen jedoch relative Kontraindikationen vor oder findet Die Schmerzkontrolle in der Zahnarztpraxis sollte immer ans individuelle Patientenprofil angepasst sein. Foto: Werner – stock.adobe.com

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