Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 09

66 | ZAHNMEDIZIN zm114 Nr. 09, 01.05.2024, (752) der et al., 2016; Kämmerer et al., 2018; Shabazfar et al., 2014]. Dagegen kommt es bei der Leitungsanästhesie am N. alveolaris inferior / N. lingualis in circa 15 bis 20 Prozent der Fälle zu Anästhesieversagen [Rathee und Brizuela, 2023]. Dies kann zum einen an einer falschen Technik liegen, die meist durch die zu spitze oder zu flache Angulation der Kanüle bedingt ist, zum anderen an anatomischen Variationen. So kann der Nervus alveolaris inferior beispielsweise über das Foramen retromolare in den Canalis mandibulae eintreten und die sensible Innervation der Molaren übernehmen. Lässt sich eine Nervvariation mittels Bildgebung identifizieren oder kommt es konventionell zu keiner suffizienten Betäubung, sollten andere Techniken zum Einsatz kommen [Schneider et al., 2021; Wolf et al., 2016]. Neben der ILA ist die sogenannte „hohe“ Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior eine Alternative mit hoher Erfolgs- und niedriger Komplikationsquote. Zwar muss man die Kanüle hier sehr tief bis hin zum Condylus vorschieben, jedoch führt sie zur Ausschaltung des kompletten Unterkieferastes, meist inklusive des N. buccalis. Ausgehend vom kontralateralen Eckzahn wird die Kanüle in Richtung des distopalatinalen Höckers des zweiten Molaren im Oberkiefer ausgerichtet und vestibulär-distal des zweiten beziehungsweise dritten Molaren an die Injektionsstelle herangeführt. Die Spritze wird dabei so anguliert, dass sie zwischen Mundwinkel und dem unteren Rand des Tragus eine Linie bildet (Abbildung 3). Bei Knochenkontakt am Condylus wird die Kanüle leicht zurückgezogen, in zwei Ebenen aspiriert und circa 1–1,7 ml Lokalanästhetikum appliziert. Die Zeit bis zum Wirkeintritt ist durch die weitere Distanz bis zum Nervenstamm gegenüber der konventionellen Technik etwas verzögert [GowGates, 1989]. Neben individuell angepassten und möglichst minimalinvasiven Techniken wird aufgrund der steigenden Anzahl von Personen mit Allgemeinerkrankungen in den Praxen das Konzept der individualisierten Lokalanästhesie empfohlen. Dabei gilt für die Dosierung sowohl des Anästhetikums als auch des Vasokonstriktors der Grundsatz „So viel nötig, so wenig wie möglich“. Das bedeutet auch, dass die Wirkzeit des Lokalanästhetikums an den jeweiligen Eingriff angepasst wird [Daubländer et al., 2016]. So lassen sich unter anderem Bissverletzungen nach der Behandlung beispielsweise bei Kindern reduzieren [Steffen und Stratigaki, 2019; Bagattoni et al., 2020]. Risikogruppen für die zahnärztliche Lokalanästhesie sind vor allem Patienten unter Multimedikation, mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mit Leber- und Lungenerkrankungen, mit Diabetes, mit Allergien sowie Kinder, Schwangere und ältere Personen. Kontraindikationen für das Lokalanästhetikum und den Adrenalinzusatz, insbesondere viele Arten an HerzKreislauf-Erkrankungen, müssen in Abb. 2: Bei der intraligamentären Anästhesie werden pro Zahnwurzel 0,2 bis 0,4 ml Lokalanästhetikum in den Desmodontalspalt abgegeben. Im Molarenbereich ist es hilfreich, die 30-G-Kanüle etwas abzuwinkeln. Abb. 3: Die hohe Leitungsanästhesie eignet sich bei Versagen der konventionellen Anästhesie des N. alveolaris inferior. Die Kanüle wird hier auf den distopalatinalen Höcker des zweiten Molaren ausgerichtet und distovestibulär bis zum Condylus auf Knochenkontakt inseriert. Fotos: Kämmerer und Heimes, 2023

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