Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 09

68 | ZAHNMEDIZIN zm114 Nr. 09, 01.05.2024, (754) kationen auch prä- und intraoperativ Nicht-Opioid-Analgetika verabreicht werden, wenn bei Operationen ein hohes Risiko für stärkere postoperative Schmerzen besteht und eine systemische postoperative Analgesie geplant ist [Stamer et al., 2021]. Dass die präemptive Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR/NSAID) der alleinigen postoperativen Analgesie in Bezug auf die Stärke akuter postoperativer Schmerzen überlegen ist, zeigt ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2021 auf Basis von 45 eingeschlossenen Studien. Vermutlich geht die präemptive Gabe auch mit einer Reduktion später postoperativer Schmerzen und einem verlängerten Intervall bis zur nächsten Schmerzmitteleinnahme einher [Doleman et al., 2021]. In der Praxis hat sich eine einmalige Gabe von 600 mg Ibuprofen vor dem Eingriff bewährt. Für postoperative Schmerzen stehen für die Praxis verschiedenste Analgetika zur Verfügung (Tabelle 2). Zu den eingesetzten NichtOpioiden gegen leichte bis mittlere Schmerzen gehören unter anderem Paracetamol, Ibuprofen und Diclofenac sowie der selektive COX-2-Hemmer Etoricoxib und das Pyrazolon Metamizol gegen starke Schmerzen. Zudem können niedrigpotente Opioide wie Tramadol, Dihydrocodein oder Tilidin bei starken Schmerzen eingesetzt werden. Das Mittel der Wahl für Schwangere, Stillende und Kinder bei leichten bis mittleren Schmerzen ist stets Paracetamol. Ansonsten eignet sich in diesem Schmerzbereich insbesondere Ibuprofen je nach eingehender Anamnese und unter Beachtung der Kontraindikationen. Ist die Monotherapie nicht ausreichend, hat sich die Gabe von Ibuprofen in Kombination mit Paracetamol beziehungsweise Etoricoxib bei starken Schmerzen bewährt. Alternativ kann auch eine Kombination aus Nicht-Opioid und niedrigpotentem Opioid erwogen werden. Nach eingehender Evaluation von Kontraindikation und Nebenwirkungsprofil können individuell angepasste Analgetika die Schmerzerfahrung, insbesondere während und nach operativen Eingriffen, zusätzlich zu einer lokalen Anästhesie positiv beeinflussen [Heimes und Kämmerer, 2023]. Sedierung: stressfreies Behandlungsumfeld schaffen Die dritte Säule der Schmerzausschaltung bilden Sedierungs- und Anxiolysetechniken. Auch diese werden komplementär zur Lokalanästhesie und zur eventuellen Analgesie angewandt. Nach der Einteilung der deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten unterscheidet man zwischen minimaler, moderater und tiefer Sedierung sowie der Allgemeinanästhesie (Tabelle 3). Für die zahnärztliche Praxis eignet sich vorrangig die minimale Sedierung. Patientinnen und Patienten höher als ASA-Klassifikation 2 gelten als Risikogruppe für die Sedierung [ASA, 1996; Van Aken, 2010; Höhener et al., 2008; Harbuz und O’Halloran, 2016]. Bei jeder Art von Sedierung muss zusätzlich zum Behandelnden eine weitere „entsprechend qualifizierte nicht in die Durchführung der Untersuchung involvierte Person“ anwesend sein, die den Zustand des Patienten überwacht. Diese Aufgabe kann bei der minimalen und der moderaten Sedierung nichtärztliches Personal übernehmen. In jedem Fall muss das Team Schulungen und Übungen nachweisen sowie in der Lage sein, in Notfällen Erste Hilfe zu leisten. Während der Sedierung muss, zum Beispiel in fünfminütigen Abständen, eine kontinuierliche Überwachung stattfinden. Während bei der minimalen Sedierung nur die Pulsoxymetrie obligat ist, sollten bei der moderaten Sedierung oder bei Risikopatienten der Blutdruck gemessen werden sowie eine Überwachung der Atmungsund Herz-Kreislauf-unktionen (zum Beispiel Kapnometrie) erfolgen [Van Aken, 2010]. Bei der minimalen Sedierung kommen insbesondere Benzodiazepine und Lachgas zum Einsatz. So handelt es sich bei Midazolam mit seiner schnellen Anflutungszeit (circa 20 min) und kurzen Halbwertszeit (circa 3 h) um eine in der Zahnmedizin gut überprüfte, sichere und häufig angewendete Maßnahme. Bei oralen nicht-titrierbaren Benzodiazepinen ist zu beachten, dass eine zweite Gabe nicht indiziert ist, wenn keine Wirkung eintreten sollte. Midazolam oral wird in der Regel einmalig mit 7,5 bis 15 mg (bei Kindern 0,25–1mg/kg Körpergewicht) dosiert (Tagesmaximaldosis 15 mg) und 30 SEDIERUNG IN DER ZAHNARZTPRAXIS Sedierungsstufe Vigilanz Reizreaktion Spontanatmung Kreislauf Schutzreflexe 1 Minimale Sedierung Wach, entspannt Normale Reaktion auf Ansprache Normal Normal Normal 2 Moderate Sedierung Schläfrig, somnolent Erweckbar, mind. 10-sekündige Wachphase mit normaler Reaktion auf Ansprache bzw. nicht schmerzhafte taktile Reize Normal Üblicherweise ausreichend Erhalten 3 Tiefe Sedierung Tief schlafend, soporös Kontaktverlust, gezielte Abwehrbewegungen nur bei schmerzhaften Reizen Intervention kann erforderlich sein Üblicherweise ausreichend Protektive Luftwegsreflexe können beeinträchtigt sein 4 Allgemeinanästhesie Bewusstlos Keine, allenfalls ungezielte Bewegungen oder spinale Reflexe bei schmerzhaften Reizen Intervention regelhaft erforderlich Kann beeinträchtigt sein Aufgehoben Tab. 3: Unterteilung der Analgosedierungsstufen bei Erwachsenen

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