zm114 Nr. 09, 01.05.2024, (756) 70 | POLITIK DEBATTE UM INDIVIDUELLE GESUNDHEITSLEISTUNGEN Väterchen Staat versus mündiger Bürger „Größtenteils überflüssig und manchmal sogar schädlich“ – der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Stefan Schwartze (SPD) sieht Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) äußerst kritisch. Der FDP-Gesundheitspolitiker und Zahnarzt Christian Bartelt widerspricht. Im April hatte Schwartze in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt: „Die regelmäßigen Untersuchungen des Medizinischen Dienstes zeigen, dass die große Mehrheit des IGeL-Angebots keinen erkennbaren Nutzen hat. Einige schaden sogar, weil sie häufig falsch positive Befunde liefern und dadurch unnötige weitere Untersuchungen und Eingriffe nach sich ziehen. Konkret nannte Schwartze die Ultraschalluntersuchung zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter als eine der am meisten verkauften Leistungen. Er forderte, Selbstzahlerleistungen, die von den medizinischen Fachgesellschaften als schädlich bezeichnet werden, zu verbieten. Aus Sicht von Christian Bartelt (FDP) stellen Selbstzahlerleistungen jedoch eine gute Ergänzung zu den Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dar. „Viele IGeL wie zum Beispiel Reiseimpfungen, Tauchtauglichkeitsuntersuchungen oder die kosmetische Entfernung von Tattoos sollten definitiv nicht Inhalt des Leistungskatalogs der GKV sein. Trotzdem werden sie von Patienten gern in Anspruch genommen und müssen dann auch privat liquidiert werden.“ Dass Selbstzahlerleistungen durch häufige Falschbefunde unnötige Folgekosten für das Gesundheitssystem hervorrufen, hält Bartelt für die falsche Betrachtungsweise. Zum einen finde im Vorfeld eine Aufklärung statt – inklusive eines Hinweises auf mögliche falsch positive Befunde. Zum anderen könne jeglicher durch diese zusätzlichen Untersuchungen aufgedeckte Zufallsbefund auch lebensrettend sein. Die PZR ist eine hochwirksame Präventionsleistung Aus Sicht des Vereins demokratischer Ärzt*innen greift das Aufklärungsargument nicht. In einem Statement schreibt er: „Klare Regeln für Gespräche über Leistungen, für die es keine Evidenz gibt, sind nutzlos, weil diese Leistungen gar nicht erbracht werden sollten.“ Bartelt erinnert in diesem Zusammenhang an das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient: „Fakt ist, dass zur Charakteristik der freien Gesundheitsberufe eine Gemeinwohlverpflichtung zählt; und der hohe ethische Anspruch der Freiberufler und ihre strenge Selbstkontrolle durch die Körperschaften garantieren eine hohe und gesicherte Qualität.“ Beim Thema IGeL setze seine Partei auf den mündigen Menschen, „der selbst entscheidet, ob für ihn persönlich eine zusätzliche Leistung nützlich ist oder nicht“. Auf das Thema Professionelle Zahnreinigung (PZR) angesprochen, entgegnet Bartelt, dass die PZR eine wissenschaftlich anerkannte, hochwirksame Präventionsleistung und im Rahmen der PAR-Therapie auch eine Kassenleistung sei. Für Patientinnen und Patienten ohne Parodontitis bewertet der IGeLMonitor des Medizinischen Dienstes den Nutzen der PZR aktuell hingegen als „unklar“, da weder ein Nutzen, noch ein Schaden erkennbar sei. Dem hält Bartelt entgegen, dass viele gesetzliche Krankenkassen – insbesondere mit Blick auf die hohe Prävalenz parodontaler Erkrankungen bei älteren Menschen – die PZR mittlerweile bezuschussen. sth Manche Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sollten verboten werden, fordert der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Stefan Schwartze (SPD, r.). Der FDP-Gesundheitspolitiker und Zahnarzt Christian Bartelt (FDP) hält dagegen. Fotos: Deutscher Bundestag/Inga Haar, Jan Pauls
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