Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 10

46 | GESELLSCHAFT INTERVIEW MIT JOERG HEIDRICH ZUR KÜNSTLICHEN INTELLIGENZ „Die Nutzung von KI zählt schon jetzt zu den wissenschaftlichen Kernkompetenzen!" Joerg Heidrich ist Rechtsanwalt für Internet- und KI-Recht – und selbst bekennender Tekkie. Im Interview erklärt der Justiziar und Datenschutzbeauftragte von Heise Medien, wieso Künstliche Intelligenz meist Fluch und Segen zugleich ist und bei welchen Zukunftsfantasien ihm angst und bange wird. Herr Heinrich, wenn Publikumsmedien über Generative Künstliche Intelligenz berichten, ist so gut wie immer die Rede von Chat GPT oder GPT-4, dem bislang neuesten Produkt des US-Herstellers Open AI, vielleicht noch von Microsoft Nuance. Ist diese Darstellung nicht arg verkürzt? Joerg Heidrich: Tatsächlich explodiert die KI-Szene gerade regelrecht und bringt nahezu täglich spannende neue Angebote hervor. So gibt es eine ganze Reihe von vielversprechenden ChatGPT-Konkurrenten. Ich benutze zum Beispiel derzeit Claude 3 Opus, das den Angeboten von OpenAI zumindest gleichwertig ist. Neben den Textgeneratoren gibt es aber auch noch eine ganze Welt von KI-Angeboten aus anderen Bereichen. Mein Favorit ist der Bildgenerator Midjourney, der längst lebensechte Bilder erschafft, die nicht von Fotos zu unterscheiden sind. Daneben erleben auch Video-, Ton- und Musik-KI gerade unglaubliche Entwicklungen. Kommen wir trotzdem noch einmal zu GPT-4: Der Branchenprimus bestand laut einer Studie bereits im Mai 2023 gut 80 Prozent der Multiple-Choice-Fragen der US-Approbationsprüfung für Zahnärzte. Bei der für das Vereinigte Königreich geltenden Prüfungsversion waren es immerhin noch knapp 63 Prozent. Beide Werte hätten einem Menschen zum Bestehen gereicht. Wie viel Aussagekraft hat so ein isolierter Test? Es sagt viel über die Möglichkeiten von KI aus. Diese haben ein umfangreiches Training auf medizinische Daten, aber zum Beispiel auch auf juristische Daten, wo es ähnliche Ergebnisse gibt. ChatGPT wurde auf einer riesigen Menge an Textdaten trainiert, darunter auch viele medizinische Fachbücher, Studien und Publikationen. Und gerade bei Multiple Choice zeigt sich die Fähigkeit zur Mustererkennung und Wissensverknüpfung: Die KI ist in der Lage, relevantes Wissen miteinander zu verbinden, um Diagnosen zu stellen und Therapien vorzuschlagen. Sie wird daher sicher auf absehbare Zeit keinen Arzt ersetzen, kann aber wertvolle Hilfe gerade bei Diagnosen und Analysen sein. Selbst Laien können sehen, welche sprunghaften Qualitätssteigerungen es bei Bild-, Sprach- und Videogeneratoren auf KI-Basis gibt. Sie sind der Experte: Was bedeutet das für das Urheberrecht? Das bestehende Recht wird durch die KI in vielfacher Hinsicht auf die Probe gestellt. Das gilt insbesondere für das Urheberrecht. Hier ist man sich einig, dass KI-generierte Inhalte wie Texte oder Bilder im Normalfall nicht rechtlich geschützt sind. Sie sind nicht das Ergebnis eines „menschlichen Schaffens“ sondern werden von den Benutzern nur angestoßen, entstammen aber der Maschine. Wie wirkt sich das für die Benutzer der KI aus, wenn die generierten Inhalte nicht urheberrechtlich geschützt sind? Dies ist Fluch und Segen zugleich. Vorteilhaft ist es, dass man die Inhalte frei und kostenlos verwenden darf und niemanden um Erlaubnis fragen muss. Der Nachteil: Das kann jeder andere mit meinen KI-Bildern oder Texten auch. Denn da ihnen der rechtliche Schutz fehlt, sind sie quasi „digitales Freiwild“. Gibt es dabei Aspekte, die eine Praxisinhaberin oder ein Praxisinhaber bedenken sollte, etwa bei der Nutzung von KI-generierten Inhalten für Web- oder Social-Media-Angebote? Der große Vorteil ist zunächst, dass die Ergebnisse von ChatGPT, Midjourney & Co. frei verwendet werden dürfen und eine große Kreativität ermöglichen. Ansonsten gelten hier die allgemeinen Grenzen des Standesrechts: Entscheidend ist, dass die Werbung sachlich bleibt und nicht in anpreisender, irreführender oder reißerischer Weise erfolgt. Und wo verlaufen die Grenzen, wenn Zahnärztinnen oder Zahnärztinnen als Inhaltsproduzenten in Kontakt mit KI kommen, sie also als Urheber von Texten und Fotos sicherstellen wollen, dass ihre Werke nicht unentgeltlich von SoftJoerg Heidrich ist Fachanwalt für IT-Recht und Partner der Kanzlei Heidrich Rechtsanwälte in Hannover, die die Website kikanzlei.de betreibt. Foto: Anton Brandl zm114 Nr. 10, 16.05.2024, (832)

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