32 | ZAHNMEDIZIN bei der Degradation der Glasstruktur zielgerichtet im Defekt freigesetzt werden und lokal langanhaltend ihre Wirkung entfalten können. Dieser innovative Ansatz der 3-D-gedruckten Kompositknochentransplantate wurde erst kürzlich in einer von der Schweizer AO-Foundation geförderten Studie untersucht und in der Fachzeitschrift „Bioactive Materials“ publiziert [Richter et al., 2023]. Für die Arbeit wurde MBG mit einem komplexen Wachstumsfaktorgemisch (HCM) beladen, das aus unter Hypoxie kultivierten mesenchymalen Stammzellen gewonnen wurde. Hypoxie (Sauerstoffmangel) ahmt den Zustand mangelnder Vaskularisierung und damit mangelnder Sauerstoffversorgung nach. Das veranlasst Zellen entsprechende Botenstoffe mit chemotaktischem und proangiogenem Potenzial zu sezernieren. Nach der Implantation synthetischer Biomaterialkonstrukte liegt ein vergleichbarer Zustand mangelnder Vaskularisierung vor und gefährdet die ordnungsgemäße Resorption und Gewebeneubildung. Die Freisetzung dieser Wirkstoffe fördert hingegen die Bildung neuer Blutgefäße in der Defektregion und unterstützt damit unmittelbar die Bildung und Erhaltung von neuem Knochengewebe. Anhand eines kritischen Kieferspaltdefekts im präklinischen Modell sollte analysiert werden, ob die Verwendung des CPCMBG-Komposits zu einer verbesserten Implantatresorption führt und zusammen mit dem freigesetzten HCM eine verbesserte Knochenneubildung nach sich zieht (Abbildung 4). Nach entsprechender Materialcharakterisierung in vitro, zu der beispielsweise Degradations- und mechanische Belastungsversuche gehörten, schloss sich eine präklinische In-vivo-Studie an. Dazu wurde im Oberkiefer von Ratten je ein artifizieller „critical size“- Knochendefekt geschaffen und je ein Scaffold implantiert. Drei verschiedene Arten der 3-D-gedruckten Scaffolds kamen zur Anwendung (1. CPC, 2. CPCMBG-Komposit, 3. zusätzlich mit HCM funktionalisiertes CPC-MBG-Komposit). Die Scaffolddegradation und Knochenneubildung wurde anschließend nach sechs und nach zwölf Wochen mittels µCT und Histomorphologie/ -morphometrie untersucht. Nach sechs Wochen zeigte sich für alle gedruckten Implantate eine suffiziente Lage im Defekt und die Scaffoldstruktur war in allen Fällen noch deutlich erkennbar. Nach zwölf Wochen traten klare Degradationserscheinungen auf, besonders ausgeprägt war dies für die MBG-haltigen Gruppen. Die Visualisierung und Quantifizierung des verbliebenen Scaffoldvolumens bestätigte die signifikant schnellere Degradation der CPC-MBG-Komposite (Abbildung 5). Dennoch trat weiterhin keinerlei Dislokation der Scaffolds oder kleinerer Partikel auf. Histologisch zeigte sich eine Osteogenese ausgehend vom Defektrand und die Transplantate wiesen eine osteokonduktive Charakteristik auf. Die Knochenneubildung trat sowohl entlang als durch die Scaffoldporen hindurch auf (Abbildung 6). Nach zwölf Wochen wiesen beide MBG-haltigen Versuchsgruppen einen signifikant kleineren verbliebenen Defekt auf als die mit den reinen CPC-Scaffolds. Zusammenfassung Mittels 3-D-Druck können defektspezifische Knochentransplantate für die präklinische Anwendung im Kieferspaltmodell hergestellt werden. Dabei wurde erstmalig ein Kompositmaterial zm114 Nr. 11, 01.06.2024, (918) Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Günter Lauer Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Foto: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Jun.-Prof. Dr. med. dent. habil. Paula Korn Juniorprofessorin für Regenerative Oralchirurgie und Implantologie, Leiterin Poliklinik der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Foto: privat PD. Dr. med. Dr. med. dent. Winnie Pradel Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Foto: privat Dipl.-Ing. Richard F. Richter Zentrum für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Foto: privat Prof. Dr. rer. nat. Michael Gelinsky Leiter des Zentrums für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Foto: Stefan Wiegand
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