Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 11

TITEL | 39 zm114 Nr. 11, 01.06.2024, (925) tieren. Dank des Binnenmarkts kann man EU-weit unkompliziert Waren bestellen und bezahlen, zahnärztliche Abschlüsse werden automatisch anerkannt, es herrscht Fachkräftemobilität innerhalb der EU. Diese Vorteile sind für uns mittlerweile so selbstverständlich, dass wir ihren großen Wert oft gar nicht mehr sehen.“ Auch BZÄK-Vize vonLaffert hält es für wichtig, zur Wahl zu gehen: „Die letzten Jahre haben gezeigt, wie relevant Europa mittlerweile für unseren zahnärztlichen Alltag ist. Auch wenn die Wahl sicher nicht einfach ist, ist sie doch sehr bedeutsam. Wie heißt es so schön auf einem der Wahlplakate: ‚Es ist nicht egal. Es ist Europa.‘“ sth „Die EU ist ein Fakt!“ Seit 2021 ist der Däne Dr. Freddie Sloth-Lisbjerg Präsident des Council of European Dentists (CED). Im Interview teilt er seinen Blick auf die Europäische Union und wie er zu den Europawahlen steht. Dr. Sloth-Lisbjerg, Sie sind Däne und haben zwölf Jahre als Zahnarzt in Deutschland gearbeitet. Was bedeutet für Sie vor diesem Hintergrund die Europäische Union (EU)? Dr. Freddie Sloth-Lisbjerg: Meine Frau, die auch Zahnärztin ist, und ich sind nach unserem Abschluss nach Deutschland gezogen, weil es in Dänemark damals eine Überversorgung mit Zahnärztinnen und Zahnärzten gab. Die EU hat uns damals also eine Perspektive und berufliche Freiheit gegeben. Diese Erfahrung prägt mich bis heute: Ich bin im Herzen Däne, fühle mich aber auch als Europäer. Die EU bedeutet für mich Freiheit, Sicherheit und globale Perspektiven. Wie hat sich die EU in den vergangenen zehn Jahren verändert, vor allem mit Blick auf den zahnärztlichen Berufsstand? Die EU war in ihren Anfängen ein Zusammenschluss von Nationalstaaten mit großer Selbstbestimmung. Man merkt ganz deutlich, dass heute viel mehr zentral von der EU beschlossen wird – es wächst in diesem Sinne langsam eine richtige Union. Für die im EU-Vertrag festgeschriebene Selbstbestimmung der Gesundheitsberufe bedeutet das jedoch, dass immer häufiger Zugeständnisse gemacht werden müssen, zum Beispiel während der Pandemie oder bei der Schaffung des EHDS. Das Argument aufseiten der EU lautet in der Regel, dass einer ihrer beiden großen Pfeiler – der freie Austausch von Waren und Dienstleistungen und die freie Beweglichkeit der Arbeitskräfte – berührt wird. Dem sollen sich die Gesundheitsberufe dann beugen. Wie bewerten Sie das? Ich glaube, dass wir viele Probleme am besten gemeinsam lösen können, zum Beispiel die sichere Versorgung mit Arzneimitteln. In diesen Fragen ist es besser, wenn man eine Population von 450 Millionen Menschen ist statt wie in Dänemark nur eine von knapp sechs Millionen. Aber ich sehe die große Gefahr, dass man in der EU keine Lehren aus dem Brexit gezogen hat. Mir scheint, dass die Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedstaaten das Gefühl haben, dass man ihnen zu schnell zu viel Selbstbestimmung wegnimmt. Hier muss die EU lernen, Entscheidungen besser zu erklären. Was fällt Ihnen in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen auf, wenn sie mit ihnen über die EU sprechen? Viele bewerten die EU negativ und sind sehr skeptisch. Die EU erscheint ihnen viel zu groß, zu kompliziert und zu weit weg. Sie fühlen sich fremdbestimmt von den „Technokraten und Bürokraten“ in Brüssel. Was denken Sie? Bringt die EU Vorteile für den zahnärztlichen Beruf? Ein Vorteil für mich ist zum Beispiel, dass wir eine europaweit einheitlich geregelte Berufsordnung haben mit einem hohen Qualifikationsniveau. Ich finde auch gut, dass wir als CED mit anderen Berufsverbänden mit den EU-Institutionen zusammenarbeiten können, um auf Themen wie den EHDS einzuwirken. Es gibt einen Erfahrungs- und Wissensaustausch und wir haben die Möglichkeit, unsere Argumente anzubringen. Die Herausforderungen, denen die einzelnen Mitgliedstaaten sich gegenüber sehen, sind zu einem Großteil die gleichen – angefangen bei der alternden Bevölkerung bis hin zum Fremdkapital in der zahnärztlichen Versorgung. Dass wir unser Wissen und unsere Forderungen so intensiv teilen und bündeln können, liegt daran, dass es die EU gibt. Warum sollten Zahnärztinnen und Zahnärzte zur Europawahl gehen? Für mich gibt es zwei Gründe: zum einen, weil sie Bürgerinnen und Bürger sind und als solche an der Politik teilnehmen sollten, damit diese nicht noch weiter weg erscheint. Man darf nicht vergessen: Alles, was um uns herum passiert, wird beeinflusst durch die EU. Zudem sehen wir im zahnärztlichen Bereich, dass sich die EU mehr und mehr in die Gesundheitsberufe einmischt. Deshalb sollte man mitwirken und die EU-Politikerinnen und -Politiker mit der eigenen Perspektive konfrontieren. Die Politik hat kein zahnärztliches Knowhow und ist auf unseres angewiesen. Und meine Erfahrung ist, dass sie auch zuhören. Dass die Entscheidungen nicht immer in unserem Sinne ausfallen, ist eben Politik. Aber man kann die Uhr nicht zurückdrehen, die EU ist ein Fakt. Deshalb: Werden Sie konstruktiv! Das Gespräch führte Susanne Theisen. Foto: Sloth-Lisbjerg

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