Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 11

44 | POLITIK INTERVIEW MIT BFB-HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER PETER KLOTZKI „Die freiberufliche Struktur steht unter Druck wie nie zuvor“ „Nie war ihre Wirkung so gefragt wie heute, nie war aber auch der Druck auf sie so groß wie heute.“ BFB-Hauptgeschäftsführer RA Peter Klotzki zur Lage der Freiberufler in Deutschland früher und heute. Auf welche Meilensteine blickt der BFB in seiner 75-jährigen Geschichte zurück? RA Peter Klotzki: Der BFB hat die Erfolgsgeschichte der Freien Berufe begleitet. Was in der frühen Nachkriegszeit mit einem Anteil am Bruttosozialprodukt (BIP) von einem Prozent und 210.000 Selbstständigen begann, ist heute einer der größten Wirtschaftsbereiche mit gut zehn Prozent BIP-Anteil und knapp 1,5 Millionen Selbstständigen. Die Freien Berufe machen rund 38 Prozent aller Selbstständigen in Deutschland aus und sind Herzstück des Mittelstands. Der BFB hat sich mit um die regulatorischen Voraussetzungen, die Identitätsbildung und das gemeinsame Verständnis der Berufsgruppen als Freier Beruf „gekümmert“. Ein besonderer Meilenstein war der Aufbau der freiberuflichen Strukturen und der Selbstverwaltung in den neuen Bundesländern, zu dem der BFB maßgeblich beitragen konnte. Zu nennen sind etwa Verdienste um die Integration, mit der ein vom BFB vorgeschlagenes Projekt 2019 den Nationalen Integrationspreis der Bundeskanzlerin gewonnen hat, oder die Folgenbekämpfung der Coronapandemie. Hier haben sich vor allem die Heil-, aber auch die beratenden und die planenden Berufe verdient gemacht. Der BFB hat erreicht, dass die Hilfen so ausgestaltet wurden, dass Freiberuflerinnen und Freiberufler in ihrer Existenz gesichert wurden. Die Freien Berufe waren auch ganz vorn bei der Bewältigung von Krisen dabei. Sei es bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021, sei es im Zuge des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine, als sie ihre Hilfsnetzwerke aufgespannt haben, um die Betroffenen zu unterstützen. Der BFB verband hier die Aktivitäten seiner Mitgliedsorganisationen und entwickelte eigene Plattformen wie das BFB-Jobportal für Ukrainerinnen und Ukrainer. Wie haben sich die Freien Berufe in dieser Zeit gewandelt? Zum einen sind sie viel mehr geworden. Sie haben die Entwicklung zu einer Dienstleistungsgesellschaft ermöglicht und getragen – mit einem ungemeinen Zuwachs in den „klassischen Berufen“ wie Ärzten, Anwältinnen oder Architekten. Dazu kommen ganz neue Berufsgruppen wie etwa Datenschützerinnen oder Systemadministratoren. So sind die Freien Berufe quantitativ ein Herzstück des Mittelstands geworden. Und qualitativ stehen sie in ihrer gesellschaftlichen Wirkung als Garanten für Gesundheit, Infrastruktur, Recht, Wohnen oder Kultur. In den vergangenen Jahren kamen zusätzliche Aufgaben auf sie zu. Sie stehen vorn bei der Klimawende, bei der stärkeren Entwicklung der Nachhaltigkeit und nun auch beim Erhalt der Demokratie, denn sie besitzen Vertrauen, sind täglich im Kontakt mit rund acht Millionen Menschen in ihren Praxen, Kanzleien, Büros und Apotheken. Welche Themen sind aktuell für die Freien Berufe wichtig – insbesondere für die Heilberufe? Die mittelständische freiberufliche Struktur steht unter Druck wie nie zuvor. Der Fachkräftemangel resultiert aus demografischen Folgen, die durch falsche arbeitsmarktpolitische Entscheidungen wie die „Rente mit 63“ oder das Bürgergeld verschärft werden. Und mehr noch: Jahresring für Jahresring sind Pflichten an Bürokratie und Dokumentation entstanden, die nur hartgesottenen Menschen die Freude an der Berufsausübung nicht verderben. 27 Prozent der Arbeitszeit wird über alle Freien Berufe hinweg mit der Bedienung solcher Vorgaben verbracht. Vieles davon ist unproduktiv und reduziert die Tätigkeiten für die Menschen: Die Umsatzausfälle in den zm114 Nr. 11, 01.06.2024, (930) 24. September 1949: Offizielles Gründungsdatum des „Bundesverbandes der Freien Berufe“: Freiberufler verstehen sich als wesentlichen Pfeiler eines demokratischen Rechtsstaates. 15. Mai 1964: Gründung des Instituts für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg 1989: Nach dem Fall der Mauer Unterstützung des Wiederaufbaus freiberuflicher Strukturen in den neuen Bundesländern. 1977: Erstmals wurden drei Repräsentanten der Freien Berufe in den Mittelstandsbeirat im Bundeswirtschaftsministerium berufen. Der Bundestag beschloss erstmals, einen Bericht über die Lage der Freien Berufe zu erstellen. 1979, 1991, 2002 und 2013 folgten weitere Berichte. Juli 1995: Das neue Partnerschaftsgesellschaftsgesetz tritt in Kraft. Für die Freien Berufe ist eine eigenständige gesellschaftliche Rechtsform geschaffen worden – mit Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung. Größere, überregionale und interprofessionelle Zusammenschlüsse sind erleichtert worden. 75 JAHRE BFB Grafik: zm /Thossaphon – adobe.stock.com

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