GESELLSCHAFT | 65 2). Von August bis Dezember 1933 war er zudem Mitglied eines SS-Reitersturms [BArch R 9361-VIII/7940898; BArch R 9361-VIII/7940899; StA La Spruchkammerakte, Fol. 1]. 1934 forderten ihn Parteiverantwortliche dann auf, aus dem von den Nationalsozialisten mit Argwohn betrachteten logenartigen Männerbund „Schlaraffia“ auszutreten. Dieser archivalisch dokumentierten Aufforderung kam Eisenreich nicht nach; stattdessen schied er abermals aus der Partei aus – wohl auch, um einem Parteiausschluss zuvorzukommen. Er selbst beschrieb den Vorgang nach dem Krieg wie folgt: „Im März 1934 erklärte ich Herrn Ortsgruppenleiter Ranft schriftlich meinen Austritt.“ Den überlieferten Dokumenten zufolge wurde Eisenreich dagegen mit Wirkung vom 12. November 1934 aus der Partei ausgeschlossen [StA La Spruchkammerakte, Fol. 13]. Zunächst wurde er als „Minderbelasteter“ eingestuft Aufgrund seiner Parteivergangenheit musste sich Eisenreich nach Kriegsende einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Diese Verfahren hatten das Ziel, die Betreffenden in unterschiedliche Belastungskategorien einzuordnen (Gruppe I = Hauptschuldige, Gruppe II = Aktivisten, Gruppe III = Minderbelastete, Gruppe IV = Mitläufer, Gruppe V = Entlastete). Schlussendlich wurden die meisten Betroffenen – darunter auch vieleoffensichtliche Aktivisten – in die günstigen Gruppen IV und V der „Mitläufer“ oder „Entlasteten“ eingeordnet, was den Entnazifizierungsinstanzen den Ruf einbrachte, „Mitläuferfabriken“ zu sein [Niethammer, 1982]. Die Spruchkammer ordnete Eisenreich im Herbst 1946 allerdings zunächst in Gruppe III ein. Daraufhin erhob er Einspruch und forderte am 31. Dezember 1946 in einem Schreiben an die Spruchkammer Landshut-Stadt eine günstigere Eingruppierung: „Unterzeichneter erhebt Einspruch gegen die Einreihung als Minderbelasteter laut Anklageschrift. Neben der Entlastung, die die Anklageschrift ja selbst schon darstellt, muß ich diese Einstufung ablehnen, solange Ratsherren und Goldeneparteiabzeichenträger als Mitläufer und Minderbelastet gelten. Nicht daß ich dagegen wäre. Es können selbe ruhig sogar freigesprochen werden, ich verlange aber […] mit demselben Maße gemessen zu werden“ [StA La Spruchkammerakte, Fol. 19]. Auch habe er, so Eisenreich weiter, 1945 unter schwierigen Umständen zur sicheren Übergabe der Stadt Landshut beigetragen [StA La Spruchkammerakte, Fol. 21]. Derartige Revisionsanträge in Entnazifizierungsverfahren verliefen häufig erfolgreich [Niethammer, 1982] – so auch bei Eisenreich, der durch einen zweiten Spruch der Kammer Landshut vom 10. Januar 1947 schließlich als Entlasteter eingestuft wurde [StA La Spruchkammerakte, Fol. 22]. Im neuen Entscheid folgte die Kammer Eisenreichs Darstellung, wonach er „zu der eigentlichen kampflosen Übergabe der Stadt Landshut wesentlich beitrug“ [StA La Spruchkammerakte, Fol. 22]. Wie aber kam es zu der eingangs zitierten, anlässlich der „Spenderbauminitiative“ veröffentlichten positivistischen Aussage, dass Eisenreich im „Dritten Reich“ Juden versteckt habe? Bezugspunkt war vermutlich das besagte Spruchkammerverfahren und das dort von Eisenreich etablierte Narrativ. Tatsächlich hatte sich Eisenreich dort als NS-Kritiker dargestellt und entsprechende Leumundszeugnisse beigebracht. Dieses Vorgehen war allerdings absolut üblich – schließlich ging es in den Verfahren für die zm114 Nr. 11, 01.06.2024, (951) Abbildung 2: NSDAP-Parteikarte Karl Eisenreich Foto:Groß
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