72 | PRAXIS zm114 Nr. 11, 01.06.2024, (958) ABGEBER DR. SVEN HUPFAUF „Sie brauchen von der ersten Sekunde an ein Narrativ“ „Für die Praxisabgabe braucht man unbedingt ein Narrativ, das muss hieb- und stichfest sein wie bei jeder Verhandlung, sonst wird man unglaubwürdig und das Gegenüber punktet!“, sagt Dr. Sven Hupfauf aus Bonn. Der Zahnarzt ist nach knapp 30 Jahren in den Ruhestand gegangen. Was hat Ihre Praxis und Sie als Inhaber ausgemacht? Dr. Sven Hupfauf: Die Gründungsphase meiner Praxis in der Bonner Innenstadt fiel exakt in die Zeit der Diskussion rund um den Umzug der Regierung nach Berlin. Es war nicht vorherzusehen, wie diese Entscheidung ausfällt und welche Auswirkungen sie auf den zukünftigen Standort meiner Praxis haben würde. Da ich aber von meinem Konzept überzeugt war, bin ich dennoch zuversichtlich in meine Selbstständigkeit gegangen. Bis zum Regierungsumzug kam ein großer Teil unserer Patienten aus dem Regierungsbezirk, insbesondere aus dem Kanzler- und Auswärtigen Amt. Spannend wurde es daher Ende der 1990er Jahre, als sich quasi jeden Tag Patienten verabschiedet haben. Aber das Praxiskonzept hat sich durchgesetzt und die abgewanderten Patienten wurden nahtlos durch Neuzugänge ersetzt. Die Praxis habe ich auch für mich selbst und meine Mitarbeiterinnen so gestaltet, dass wir uns dort gerne aufgehalten haben. Zur Identifikation und Imagebildung hatte ich ein Praxismagazin entwickelt. Das kam sehr gut an bei den Patienten. Der Inhalt war neben einem Fachthema Berichte über Kunst in der Praxis und persönliche Kochrezepte. Patienten gehen meiner Meinung nach gerne zu einem bestimmten Typen. Sie sind also von dem Zahnarzt als Charakter überzeugt. Deshalb ist Mundpropaganda auch nach wie vor so stark. Es kommen die Patienten, die man verdient. die Hand zu nehmen. Mir kam in dieser Zeit immer wieder der Gedanke: Was will ich wirklich? Ach ja, und die Bürokratie rund um die Übernahme war schon ziemlich herausfordernd. Zum Beispiel, das alte Röntgengerät ab- und das neue anzumelden. Was hat sich konkret verändert mit der neuen Rolle als Chefin? Ich spüre als Führung deutlicher die Charaktere im Team, da ich jetzt auf einer ganz anderen Ebene mit ihnen unterwegs bin. Die Mitarbeiter kommen inzwischen zu mir zur Klärung von Dingen. Ich muss dann mit viel Fingerspitzengefühl versuchen, jedem irgendwie gerecht zu werden. Um ehrlich zu sein, habe ich das unterschätzt. Ich muss eben in die Aufgaben und in die Verantwortung noch ein bisschen hineinwachsen, dabei lernen, mich durchzusetzen. Vieles habe ich mir einfacher vorgestellt. Es heißt ja, wenn Kinder etwas von Fremden hören, dann hören sie besser, als auf Mutter. So ungefähr kann man sich das hier auch vorstellen. Auf der anderen Seite ist es toll, selbst gestalten zu können. Der Rollenwechsel läuft nicht von einem Tag auf den anderen. Ich bin daher sehr froh, dass ich mit meinem Kollegen, dem ehemaligen Praxischef, nach wie vor über alles sprechen kann. Themen sind oft Team-Situationen, mögliche Missverständnisse in der Kommunikation und die Führung. Ich bin froh über seine „männliche“ Einschätzung, da ich immer noch das Gefühl habe, es als Frau schwerer in der Führungsrolle zu haben. Er steht mir weiterhin 100 Prozent zur Seite und ich kann ihn bitten, auch noch einmal mit Mitarbeitern ins Gespräch zu gehen, wenn ich nicht erfolgreich war. Wir sind und waren immer auf Augenhöhe. Das heißt, die Übergabe hat gut geklappt? Ja, das war tatsächlich so. Vor allem, weil mein Kollege und Ex-Chef ja abgeben wollte. Gleichzeitig arbeitet er noch hier in der Praxis. Wir sind ein Doppelgespann geblieben nur, dass sich die Verantwortung auf mich verschoben hat. Wir teilen uns die Tage in Früh- und Spätschichten auf. Urlaubsvertretung ist gegeben, so dass ich mein Familienleben auch organisieren kann. Er ist der ruhige Part, wohingegen ich es mag, wenn viel los ist und es Herausforderungen gibt. Erfreulich ist auch, dass es keine Fluktuation im Team gab. Die Verhandlungen waren jedoch durchaus hart. Bei Geld hört die Freundschaft auf, sage ich mal mit einem Augenzwinkern. Jeder möchte selbstverständlich das Beste für sich herausholen. Was haben Sie in der Praxis verändert? Wir haben zuvor analog geröntgt, jetzt sind wir auf digital umgestiegen. Ich habe die Website einem Update unterzogen und ein neues Terminbuchungssystem eingeführt. Die Hälfte des Teams war dafür, die andere dagegen nach dem Motto „Das haben wir doch aber immer schon so gemacht“. Aber ich habe es durchgesetzt. Eine Mitarbeiterin hat die Umsetzung federführend übernommen. Sie hat dafür eine Affinität und ihre Hilfe angeboten. Die habe ich zugelassen und einfach delegiert. Hat wirklich gut geklappt! Was würden Sie Übernehmern raten? Es ist nicht zu spät, wenn die Umstände passen! Eine Übernahme bietet sich an. Das fertige Objekt muss man dann nur verbessern. Neu gegründet hätte ich mit 50 auch nicht mehr. Man sollte sich ruhig trauen, wenn man Lust hat. Toll ist, wenn wie bei mir, das Umfeld mitzieht und den Wunsch der Selbstständigkeit bestätigt und motiviert, nach vorne zu blicken. Ich kann auch nur jedem ans Herz legen, sich Unterstützung zu holen – etwa mit einer guten Rechts- sowie Steuerberatung. Im Team ist dann Delegieren angesagt. Man muss sich nicht alleine durch alles hindurch kämpfen, sondern kann das den Profis überlassen und sich mit freiem Kopf den Patienten zuwenden. Das Gespräch führte Laura Langer.
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