Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 11

PRAXIS | 73 zm114 Nr. 11, 01.06.2024, (959) Dr. Sven Hupfauf aus Bonn Foto: Sven Hupfauf Wie haben Sie die Übernahme vorbereitet? Der Zeitplan ist ja maßgeblich durch die persönliche Idee der weiteren Lebensplanung bestimmt. Das Bedürfnis, noch andere Aufgaben anzugehen, unabhängig zu sein und weniger Verantwortung zu tragen, sind treibende Faktoren. Auch muss die wirtschaftliche Grundlage geschaffen sein, um nicht in neue Zwänge zu geraten. Kurz, der neue Lebensabschnitt braucht auch eine konkrete Idee. Das sollte jeder vorher mit sich und der Familie besprechen. Dann geht es daran, den Wert der Praxis zu ermitteln, die Umsatzzahlen zu bewerten und die Stärken der Praxis sowie den Patientenstamm zu beschreiben. Nicht zuletzt gilt es dem Praxisteam eine gute Zukunft zu ermöglichen. Denn auch die Mitarbeiterinnen, die die Praxis seit vielen Jahren mitgetragen haben, betrifft dieser Umbruch in erheblichem Maß. Aus diesen Faktoren bildet sich das Narrativ, von dem man nicht abweichen sollte. Es muss hieb- und stichfest sein wie bei jeder erfolgreichen Verhandlung, sonst kommt man unglaubwürdig rüber und das Gegenüber punktet! Nachdem wir ein klares Bild gewonnen hatten, galt es zu warten, bis der geeignete Nachfolger kommt. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass persönliche Kontakte zu besseren Kandidaten führen, als die von Vermittlern oder gar Investoren. Die Möglichkeit über eine kurze Übergangsphase hinaus in der Praxis tätig zu bleiben, sehe ich mittlerweile kritisch. Es steckt einfach viel Persönliches in einer Praxis, der Nachfolger hat aber eigene Vorstellungen. Das führt innerhalb kürzester Zeit zu Differenzen. Worüber man auch nicht hinwegsehen sollte, ist, dass es in der Regel einen großen Alters- und somit Generationenunterschied gibt. Damit sind unterschiedliche Visionen und Diskrepanzen vorprogrammiert. Da sollte man versuchen, sich möglichst nicht wertend zu begegnen. Wie haben Sie dann ihren Nachfolger gefunden? Mein Nachfolger war mir schon bekannt, da er sich zwei Jahre zuvor bereits mit mir wegen einer möglichen Übernahme in Verbindung gesetzt hat. Er hat von meinen Gedanken zur Abgabe über eine Kollegin erfahren. Zu diesem Zeitpunkt haben einige Faktoren noch nicht gepasst, so dass wir die Sache nicht weiterverfolgt haben. Im Endeffekt war es wirklich ein Zufall, dass er nach Jahren noch einmal auf mich zu kam. Da das Narrativ zu seinen Vorstellungen passte, haben wir den Kaufvertrag inklusive Übernahme des Miet- und der Arbeitsverträge, beschlossen. Unterstützt haben uns dabei Unternehmensberater, ein Steuerberater und Rechtsanwälte. Er war ja zunächst bei mir, ich dann später bei ihm angestellt. Wir haben uns hier sehr viel Zeit gelassen, damit beide Seiten die Bedingungen ausführlich prüfen konnten. Das definierte Anstellungsverhältnis ist besonders wichtig, um später Streitigkeiten schnell zu klären. Wir haben den Zeitrahmen samt Urlaubsanspruch festgelegt, meine maximale Arbeitszeit und entsprechend die Vergütung mit einem abgestuften Festgehalt und einer möglichen Umsatzbeteiligung. Wie hat die Übernahme geklappt? Wir haben recht schnell gemerkt, dass es nicht besonders gut passt. Die gängigen Probleme wie Bindung der Patienten an den „Alten“, Respekt der Mitarbeiterinnen vor dem alten Chef haben sehr schnell zur Eintrübung unseres Verhältnisses geführt. Schließlich kamen noch fachliche Differenzen zum Tragen, so dass ich froh war, in unserem Vertrag eine gute Lösung für meinen vorzeitigen Ausstieg vereinbart zu haben. Erfreulicherweise ist das Praxisteam nach etwas Ruckeln der Praxis und den Patienten treu geblieben. Was hatte das für Konsequenzen? Aus den ursprünglich geplanten zwei Jahren als angestellter Zahnarzt in Teilzeit ist letztendlich ein dreiviertel Jahr geblieben. Ich war froh, einen Vertrag geschlossen zu haben, der all die aufgeploppten Probleme bedacht hat. Ich kann daher jedem ans Herz legen, unbedingt alle Bedingungen um den Verkauf der Praxis unabhängig prüfen zu lassen und möglichst auch Alternativen zu beleuchten. Je mehr wir in diese Vorbereitung investieren, desto einfacher wird es nachher. Komplikationen können vermieden und besser gehandhabt werden. Was würden Sie Kolleginnen und Kollegen raten, die abgeben wollen? Zunächst das erwähnte Narrativ aufzuschreiben und daran festzuhalten. Das gibt dann beiden Seiten Sicherheit und erleichtert den komplexen Prozess. Denn dieser dauert ja einige Zeit. Gespräche mit dem Kandidaten hinsichtlich Vertrag oder wirtschaftlicher Bewertung sind einfacher über den Steuerberater beziehungsweise Rechtsanwalt zu führen, um emotionale Momente aus dem Geschehen auszublenden und das notwendige Fachwissen zu nutzen. Der zeitliche Horizont vom ersten Gedanken bis zur Abgabe liegt schnell bei zwei bis drei Jahren. Komplizierter aus steuerlicher Sicht wird es dann, wenn noch steuerverhaftete Immobilien betroffen sind. Die Abgabe unterliegt einem reduzierten Steuersatz, in dem auch ein Verkauf der Immobilie verwertet werden kann. Hier gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die unbedingt im Vorfeld abgeklärt werden müssen. Man kann sich als Abgeber darauf einstellen, dass man emotional empfindlicher ist, als der Übernehmer. Es ist ja eine Art Lebenswerk, das man in fremde Hände gibt. Den Nachfolgern möchte ich gerne ans Herz legen, zunächst über die Schulter zu schauen und zu erkennen, wie die Praxis samt ihrer Identität, Patientenstamm und Mitarbeiter funktioniert. Und nicht als neuer Chef mit der Tür ins Haus zu fallen. Sie sollten sich die Frage stellen, was in der Praxis gut lief, natürlich auch kritisch gegenüber dem Etablierten sein und fähig, gezielt Erneuerungen einzuführen anstatt als neuer Chef hineinzustürmen. Das Gespräch führte Laura Langer.

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