Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

10 | ZAHNMEDIZIN zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (992) SPORTZAHNARZT DR. SIEGFRIED MARQUARDT IM GESPRÄCH „Eine entzündete Mundhöhle ist schlecht für die Performance“ Seit vorgestern rollt der Ball bei der Euro 2024. Wie Mundgesundheit und Leistungsfähigkeit im Profisport zusammenhängen, ist das Spezialthema von Dr. Siegfried Marquardt. Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin (DGSZM) setzt er sich dafür ein, Athletinnen und Athleten sowie Vereine und Verbände darüber aufzuklären und zu beraten. Er hat schon Profis aus vielen Sportarten auf den Zahn gefühlt – auch der deutschen Fußballnationalelf der Männer. Dr. Marquardt, wie gewissenhaft wird die Mundhygiene im deutschen Profisport betrieben? Dr. Siegfried Marquardt: Anscheinend nicht immer vorbildlich. Studien zeigen, dass die Mundgesundheit im Profisport in den vergangenen Jahren zu wünschen übrig ließ. Aber auch aufgrund der Arbeit der DGSZM etwa in Verbänden und Vereinen ist das Zahngesundheitsbewusstsein deutlich gestiegen. Wo sind Sie überall aktiv? Wir betreuen unter anderem den Deutschen Eishockeybund (DEB), den Deutschen Skiverband (DSV) und kooperieren eng mit der deutschen Sporthilfe. Auch mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) stehen wir in Kontakt. Ich kann daher sagen, dass die Themen Mundgesundheit und Zahnpflege im deutschen Profifußball angekommen sind und sich durch Aufklärung und gezielte Behandlung sehr gut entwickeln. Wir sind spät dran, oder? Durchaus. In den USA gibt es im Fußball kein Profiteam ohne zahnärztliche Betreuung, in Japan findet man keine Zahn-Uni ohne eine Abteilung Sportzahnmedizin. In Europa haben wir dieses Thema lange stiefmütterlich behandelt. Aber das Interesse steigt. Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach? Weil sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass eine entzündete Mundhöhle erhebliche Einflüsse auf den Stoffwechsel hat und so die sportliche Performance mindern kann. Studien zeigen, dass Sportlerinnen und Sportler eine überdurchschnittliche Affinität zu Gingivitiden, Parodontitis und Karies haben. Die Entzündungsbakterien breiten sich im gesamten Organismus aus. Dadurch wird nicht nur die Leistung grundsätzlich beeinflusst, es kommt auch konkret zu einer erhöhten Verletzungsgefahr in der Muskulatur. Das will man natürlich nach Möglichkeit vermeiden. Spielen die Optimierung der Okklusion und die Behandlung von Bruxismus eine Rolle, um Muskelverspannungen zu vermeiden und die Regeneration zu verbessern? Ja. Ein Fehlbiss oder okklusale Frühkontakte haben erheblichen Einfluss auf die absteigenden Muskelketten. Vom Scheitel bis zur Sohle hängen der Band- und der Muskelapparat in unserem Körper miteinander zusammen und beeinflussen die skelettalen Strukturen. Wenn Sportprofis bruxen oder Fehlfunktionen durch Störkontakte entwickeln, führt dies zumeist zu Fehlbelastungen, Kompensationsmechanismen und sodann zu Verspannungen und Muskelverletzungen. Daher ist es wichtig, die richtige, nicht manipulierte und entspannte Lage des Unterkiefers zum Oberkiefer – ohne den Einfluss von Störfaktoren – zu analysieren und zu diagnostizieren. Kann das die Zahnmedizin allein richten? Nein, entscheidend für den Erfolg ist die Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten wie Orthopädie, Physiotherapie und Osteopathie – und zwar schon im Vorfeld. Ohne einen regelmäßigen und vertrauensvollen Austausch würde die optimale zahnmedizinische Betreuung nicht funktionieren. Es ist essenziell, alle Beteiligten einzubinden, aufzuklären und sich untereinander abzustimmen. Worauf achten Sie noch bei der Mundgesundheit von Sportlerinnen und Sportlern? Ich bemühe mich intensiv, bei ihnen das Bewusstsein für eine gesunde Mundhöhle zu schärfen und Mundhygienetechniken zu vermitteln. Dabei weise ich explizit auf die negativen Auswirkungen von Entzündungen im Mundraum auf die Leistung hin und erläutere, welche Anzeichen von Pathogenen es gibt. Aufgrund der teils fehlenden Sensibilität rate ich vermehrt von der Handzahnbürste ab, da diese speziell bei Sportlerinnen und Sportlern oftmals mehr Schaden Hatte schon den einen oder anderen Fußballprofi aus der Nationalelf der Männer auf dem Behandlungsstuhl: Zahnarzt Dr. Siegfried Marquardt aus Tegernsee. Foto: privat Foto: SantaPa design – stock.adobe.com

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