Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

22 | ZAHNMEDIZIN ren Abhandlung wird diese Menge als Standard gesetzt, den die Eltern für die beiden verwendeten Zahnpasten um einen Faktor 5,9 beziehungsweise 7,2 überschreiten [Sudradjat et al., 2024]. Daraus wird ein hohes Gefährdungspotenzial der Empfehlung, schon bei Kleinkindern eine Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid zu verwenden, abgeleitet. Die beschriebene Entnahme der sehr geringen Zahnpastamengen stellt eine gewisse Leistung dar. Damit werden die den nationalen und internationalen Empfehlungen zugrunde gelegten Zahnpastavolumina deutlich unterschritten. Dass diese von nur einer Person demonstrierte Menge in der Publikation dann aber zum Maßstab der weiteren Beurteilung gewählt wird, in der ein hohes Fluoroserisiko herausgearbeitet wird und die zu einer Verunsicherung von Betreuungspersonen führen kann, ist nicht nachvollziehbar. Auffällig ist weiterhin, dass in der Publikation als Grenzwert der Fluorideinnahme, ab der die Wahrscheinlichkeit von Fluorosen zunimmt, mit Bezug auf eine einzelne Literaturstelle ein Wert von 0,04 mg/kg Körpergewicht gesetzt wird. Der international übliche Wert von 0,05 mg/kg Körpergewicht [Berg et al., 2021; BfR, 2018; EFSA, 2013; Warren et al., 2009] wird nicht herangezogen. Zudem irren die Studienautoren, wenn sie aus dem Putzen in der Kita ein erhöhtes Fluoroserisiko auch für Kinder unter dem Alter von 24 Monaten ableiten. In Kitas werden den Kindern im Regelfall erst ab dem Alter von zwei Jahren die Zähne mit Zahnpasta gereinigt [DAJ, 2021]. Die in der erwähnten Publikation ermittelten Zahnpastamengen von durchschnittlich 0,263 mg beziehungsweise 0,281 mg befinden sich bezüglich der Fluoridaufnahme unterhalb der in den gemeinsamen Empfehlungen berücksichtigten oberen tolerierbaren Fluorideinnahme [Berg et al., 2021]. Unter diesem Aspekt liefert auch diese Publikation, die von einem Hersteller fluoridfreier Zahnpasten gefördert wurde, sogar Argumente für die Umsetzung der neuen Empfehlungen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) unterstreicht in einer aktuellen Stellungnahme den Bedarf für die Erhöhung der Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten und zugleich die Sicherheit der Empfehlungen [DGKiZ, 2024]. Diese entsprechen internationalen Leitlinien und Empfehlungen (Europäische Akademie für Kinderzahnmedizin (EAPD) [Toumba et al, 2019], Internationale Vereinigung für Kinderzahnmedizin (IAPD) [Pitts et al., 2019], Weltgesundheitsorganisation (WHO) [WHO, 2023]). Ein weiterer, ganz pragmatischer Ansatz, die Sicherheit der Empfehlungen zu belegen, ergibt sich aus Untersuchungen über das Vorkommen von Fluorosen in Ländern mit bereits seit Längerem bestehender Verwendung von Zahnpasten mit einem Fluoridgehalt von 1.000 ppm bei Kleinkindern. Dort wurde keine Zunahme von ästhetisch auffälligen Fluorosen beobachtet [Conway et al., 2005; Pendrys et al., 2010; Santos et al., 2013]. Dies schließt die Nutzung der Zahnpasta ab dem Durchbruch des ersten Milchzahns ein [Conway et al., 2005] und geht bis zu der Feststellung, dass kein Kind, dessen einzige Fluoridquelle eine 1.000-ppmZahnpasta war, auffällige Fluorosen aufgewiesen habe [Pendrys et al., 2010]. Eine weitere aktuelle Veröffentlichung, nach der die Aufnahme von Fluorid während der Schwangerschaft die kognitiven Fähigkeiten der Kinder reduzieren könnte [Grandjean et al., 2024], könnte ebenfalls die Eltern besorgen. Im Gegensatz zu ähnlichen Studien, die in Mexiko beziehungsweise Kanada durchgeführt wurden und bei denen der systemische Eintrag von Fluorid über das Trinkwasser in den Körper der Schwangeren die Zielrichtung der Kritik darstellt [Bashash et al., 2017; Green et al., 2019], wurde die neue Studie in Odense (Dänemark) durchgeführt. Dort liegen keine erhöhten Fluoridwerte im Trinkwasser vor, sondern mit einem Fluoridgehalt von 0,2–0,3 ppm [Grandjean et al., 2024] mit Deutschland vergleichbare Gehalte. Der Fluoridgehalt in Dänemark für Kinder verfügbarer Zahnpasten beträgt 1.000 ppm, zur Anwendung wird auf die den deutschen Empfehlungen inhaltlich gleiche europäische Leitlinie verwiesen [Toumba et al., 2019]. Es muss deutlich herausgestellt werden, dass sich in der Studie die kognitiven Fähigkeiten der Kinder als vollkommen unabhängig vom Fluoridgehalt im Urin der werdenden Mutter erwiesen haben [Grandjean et al., 2024]. Somit belegen die Ergebnisse aus Odense die Sicherheit der dort umgesetzten Fluoridierungsempfehlungen, die den aktuellen deutschen Empfehlungen entsprechen. Abenteuerliche Methodik Der irreführende Titel der Publikation („Dose dependence of prenatal fluoride exposure associations with cognitive performance at school age in three prospective studies“) gründet sich darauf, dass die Daten aus Odense mit den beiden Studien aus Mexiko und Kanada gepoolt wurden („merged“) [Grandjean et al., 2024]. In diesem gezm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1004) FAZIT FÜR DIE PRAXIS n Die gemeinsamen Empfehlungen zur Kariesprophylaxe bei Kindern bis zum Alter von sechs Jahren berücksichtigen gleichermaßen die gewünschte Reduktion der Karieslast und die zu vermeidende Zunahme von Fluorosen. n Die empfohlenen Zahnpastamengen unterschreiten international gültige Grenzwerte der systemischen Fluoridaufnahme. Bis zum Erreichen dieser Grenzwerte besteht ein Sicherheitsspielraum. n Die Empfehlungen sind daher mit dem Ziel der Fluorosevermeidung sicher. Das trifft auch zu, wenn ab dem Alter von zwei Jahren in der Kita ein weiteres Mal mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta geputzt wird. n Ungeachtet dessen ist es eine Aufgabe für das zahnärztliche Team, die Betreuungspersonen über die angemessene Verwendung fluoridhaltiger Kinderzahnpasta zu informieren und die praktische Umsetzung mit den empfohlenen Volumina anzuleiten. n Es besteht kein Zusammenhang zu verringerten kognitiven Leistungen von Kleinkindern und Kindern infolge der Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta.

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