Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

PRAXIS | 29 anzurufen, um einen Termin zu verschieben. Sie schaute mich entsetzt an und fragte nach, ob das mein Ernst sei? „Nein, das geht nicht, ich kann das nicht!“.– „Aber warum denn nicht?“ – „Weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, ich kenne den Mann doch gar nicht!“ Wir haben dann zusammen einen kurzen Text geschrieben, den hat sie beim Telefonieren „abgelesen“. Ich muss zugeben, ich konnte ihr Problem damals nicht verstehen. Die Szene zeigt: Ältere Teammitglieder müssen den jüngeren ab und zu helfen bei Fragen rund um die Patientenkommunikation oder auch im Umgang mit Konflikten. Die Youngsters profitieren hier vom großen Erfahrungs- und Wissensschatz der Oldies. Und was die Älteren auch gelernt haben: Krisensituationen kommen und gehen. Sie wissen im Idealfall, wie sie diese handhaben und müssen sich mit der Jugend durchaus in Geduld üben. Genauso viel Geduld, wie die Jüngeren aufbringen müssen, um uns digitale Anwendungen zu erklären. Agilität ist eine Frage des Mindsets! In regelmäßigen, lockeren Gesprächsrunden kann Wissen an die nächste Generation weitergegeben werden. Themen können dabei vom Troubleshooting über Erfolge und Misserfolge bis hin zur Reflexion des Praxisalltags reichen. Neben fachlichem Austausch sind Gespräche über die Praxiskultur, die gelebten Werte und den Umgang miteinander wichtig für die Orientierung und Sicherheit im kollegialen Miteinander. Teamwerte kann man in einem Workshop gemeinsam erarbeiten, das fördert den Zusammenhalt und alle schauen am Ende in dieselbe Richtung. Die große Stärke der jungen Generationen ist das mühelose Lernen von Digitalanwendungen. So können junge Auszubildende oder Studierende häufig nach kurzer Zeit Scanner oder digitale Terminportale bedienen. Sie lernen eher intuitiv, installieren mal eben eine Terminbuchungs-App und bearbeiten digitale Modelle nach kurzer Einarbeitungszeit. Je offener die älteren Generationen in Bezug auf Digitalisierung und Soziale Medien sind, desto besser lassen sich Brücken zu den jüngeren Generationen bauen. Denn: Agilität ist keine Frage des Alters, sondern des Mindsets. Und wenn die Installation der neuen Monitoring-App hakt, fragen Sie Ihre Auszubildende. Fragen Sie die jüngeren Kolleginnen und Kollegen nach ihrer Meinung und beziehen sie mit ein – etwa bei Neuanschaffungen oder bei Fragen der Praxisorganisation. Das bindet und verbindet. zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1011) DREI GRÜNDE FÜR EINE VERÄNDERT ARBEITSWELT Als ausschlaggebend für das veränderte (Arbeits-)Verhalten der jüngeren Generationen sieht Generationenforscher Rüdiger Maas drei bedeutende Einflussfaktoren [Maas, 2021]: n der demografische Wandel Im Jahr 1964, der Hochphase der Babyboomer, kamen rund 1,36 Millionen Babys in Deutschland zur Welt. So viele wie nie wieder danach. Anschließend sank die Geburtenrate kontinuierlich bis zum Jahr 2011. Damals wurde mit 663.000 Neugeborenen die niedrigste Geburtenzahl seit 1946 registriert. Während die geburtenstarken Jahrgänge der „Boomer“ und der Generation X also immer viele waren, sind die Kinder der Generation Y und vor allem der Generation Z immer wenige, häufig das einzige Kind in der Großfamilie und auch im Freundeskreis der Eltern. Entsprechend viel Aufmerksamkeit haben diese Kinder erfahren. Und sie haben gemerkt, dass ihnen viele Türen offenstehen, sie viele Möglichkeiten haben. Die Unternehmen bewerben sich heute beim Nachwuchs, nicht umgekehrt. Zum Vergleich: Die Jugendlichen der Generation X, geboren zwischen 1965 und 1979 mussten teils 70 bis 100 Bewerbungen schreiben, um einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Die Arbeitslosenquote war zu der Zeit hoch und stieg kontinuierlich an. n das Erleben der Eltern im Arbeitsalltag Die Kinder der Boomer und der GenX-ler – also die heutigen Generationen Y und Z – haben eine Elterngeneration erlebt, deren Alltag stark durch den Beruf bestimmt war. Zu einer Zeit, als Arbeitskräfte im Überschuss vorhanden waren, schleppten sich die Eltern trotz Krankheit in die Firma, arbeiteten viel für weniger Geld und hatten weniger Entwicklungsmöglichkeiten im Job als es ihre Kinder heute. Und sie haben auch die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen davon miterlebt. n die Digitalisierung Während die Boomer, Gen X und Gen Y erst im Erwachsenenalter oder als Jugendliche Zugang zu Smartphones und Internet hatten, ist die Generation Z mit dem Smartphone in der Hand zur Welt gekommen. Hier liegt einer der größten Unterschiede zwischen den älteren und den jüngeren Generationen. Die „Digital Natives“ leben hauptsächlich im Internet und in den Sozialen Medien. Sie denken digital – und zwar von Geburt an. Eine Welt ohne Internet und Smartphone ist für die zwischen 1995 und 2010 Geborenen unvorstellbar. Die älteren Jahrgänge sind größtenteils noch komplett analog aufgewachsen. Ihr Denken ist analog geblieben, aller Digitalisierung zum Trotz. Das Resultat dieser drei Einflussfaktoren sehen wir nun im Verhalten der jüngeren Arbeitnehmer. Im ganzen Land herrscht Fachkräftemangel aufgrund des demografischen Wandels. Den jungen Arbeitnehmerinnen stehen alle Türen offen. Die Anzahl der Abiturienten steigt kontinuierlich an, damit steigen auch die Ansprüche an den Job. Bedürfnisse werden klarer formuliert und auch von Berufsanfängern selbstbewusst eingefordert. Warum? Weil sie es sich leisten können und es gar nicht anders kennen.

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