Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

PRAXIS | 31 kann ja auch gut werden. Und wenn nicht: Aus Fehlern lernen wir am meisten! Natürlich kann der Praxisablauf nicht nach allen privaten Terminen und Wünschen der jüngeren Mitarbeitenden gestaltet werden. Da sollte es transparente Vereinbarungen für alle Generationen gleichermaßen geben. Und im Gegenzug sollte nicht selbstverständlich erwartet werden, dass regelmäßig Überstunden und zusätzliche Wochenenddienste geleistet und überholte Konzepte kritiklos über Jahre weitergefahren werden. Ok Boomer – danke Zoomer! Die große Aufmerksamkeit, die der Diskussion um Generationenunterschiede seit einigen Jahren in den Medien zuteilwird, wirkt wie ein Brennglas auf unsere Wahrnehmung. Die ständig gleiche Wiederholung der Charakteristika einer Generation, lässt die Probleme größer erscheinen, als sie tatsächlich sind. Plötzlich sehen wir überall Generationenkonflikte, arbeitsunwillige junge Menschen, die Hafermilch trinken und kein Fleisch mehr essen. Jeder, der sich schon mal ein rotes Auto gekauft hat, kennt diesenEffekt. Wir Menschen hängen zu sehr im sogenannten Ähnlichkeits-AttraktionsParadigma fest. Wir bevorzugen Menschen, die uns im Verhalten, in ihren Werten und in ihrer Haltung ähnlich sind [Byrne, 1961]. Diese unbewusste Voreingenommenheit anderen Generationen gegenüber macht die Arbeit in altersdiversen Teams zur Herausforderung. Sie sollte deshalb bewusst hinterfragt werden. Dass Menschen nur, weil sie ein Jahrgang sind, dieselben Charaktereigenschaften haben, dafür gibt es keine wissenschaftlichen Beweise. Im Gegenteil: Der Soziologe Prof. Dr. Martin Schröder spricht vom „Mythos der Generationen“ [https://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2018/generationsunterschiede-bilden-wir-unsein]. Gleichzeitig erlebt die Arbeitswelt gerade einen tiefgreifenden, strukturellen Wandel, bedingt durch Demografie und verändertes Anspruchsdenken. Die Kluft zwischen Jung und Alt scheint immer größer zu werden. Sie wird nur dann kleiner, wenn sich alle aufeinander zubewegen. Und die Kritik an der Jugend ist so alt wie die Menschheit selbst. Von den Sumerern 3.000 Jahre vor Christus über Sokrates bis hin zu Johann Wolfgang von Goethe kritisierten die Alten die Jugend. Eine Kostprobe von Sokrates: „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Ok Boomer – danke Zoomer! n zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1013) ARBEITSMOTIVATION IST KEINE FRAGE DER GENERATION Hängt die Arbeitsmotivation mit dem Geburtsjahr zusammen, wie gerne behauptet? Eine deutsche Studie hat diese „Generationenhypothese“ jetzt untersucht – und widerlegt. Gerne wird argumentiert, dass die Arbeitsmotivation mit dem Geburtsjahr variiert und sich so in den Generationen Z, Y, X und Baby-Boomer unterscheidet. Dieser Frage ist der Soziologe und Statistiker Prof. Martin Schröder von der Universität des Saarlandes an der Fakultät für Human- und Wirtschaftswissenschaften in Saarbrücken nachgegangen. Er hat hunderttausende Umfragen mit 584.217 individuellen Antworten aus rund 40 Jahren untersucht und kommt zu dem Ergebnis: Wie jemand zur Arbeitswelt steht, ist keine Frage des Geburtsjahres. „Natürlich steckt immer ein Quäntchen Wahrheit in solchen Zuschreibungen. Aber die Generationen unterscheiden sich weniger untereinander. Es kommt vielmehr auf den Zeitpunkt an, in welchem Lebensabschnitt sie nach ihrer Leistungsbereitschaft und ihrer Einstellung zur Arbeit gefragt werden“, sagt der Soziologe. Denn die Generationenhypothese besage, dass sich Individuen aufgrund ihres Geburtszeitpunkts unterscheiden, unabhängig von ihrem Alter und unabhängig davon, wann man sie fragt. Berücksichtigt man jedoch die beiden letztgenannten Effekte, die als „Alterseffekte“ und „Periodeneffekte“ bekannt sind, gebe es diese „Generationeneffekte“ kaum noch. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bedeutung der Arbeit mit dem Alter einer Person zunächst zunimmt und dann wieder abnimmt – und zwar tendenziell bei jedem. Zwei Effekte wirken laut Schröder auf die Ergebnisse: der Alterseffekt, also die Tatsache, dass Individuen ihre Einstellungen im Laufe ihres Lebens ändern, und der Periodeneffekt beziehungsweise der Zeitgeist – der Umstand, dass alle Mitglieder der Gesellschaft ihre Einstellungen im Laufe der Zeit ändern. Nicht die Generation, sondern das Alter und der Zeitgeist beeinflussen demnach die Haltung zur Arbeit. Wenn ein jüngerer Mensch anders antwortet als ein älterer, hat das nichts mit seiner Generation per se zu tun, sondern ist vielmehr mit der aktuellen Lebensphase zu erklären. Dass sich die Mär von den Generationen in der Arbeitswelt trotzdem so hartnäckig hält, liege vor allem daran, dass viele schlicht die genannten „Alters- und Periodeneffekte“ mit dem mutmaßlichen „Generationeneffekt“ verwechseln. Junge Menschen seien den Daten nach schon immer weniger arbeitswillig gewesen als Menschen mittleren Alters. Außerdem halten alle Menschen – unabhängig von Alter und Geburtsjahrgang – Erwerbsarbeit heute für weniger wichtig als in der Vergangenheit. „Wir verwechseln also Alters- und Periodeneffekte mit Generationeneffekten und sehen deshalb Generationen, wo es keine gibt.“ Sein Fazit: „Man kann Einstellungen von Menschen mit ihrem Alter erklären, und man kann Einstellungen von Menschen damit erklären, wann sie befragt wurden. Aber man kann Einstellungen von Menschen kaum mit deren Geburtsjahr erklären." Die Studie: Schröder, M. Work Motivation Is Not Generational but Depends on Age and Period. J Bus Psychol (2023). https:// doi.org/10.1007/s10869-023-09921-8

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