ZAHNMEDIZIN | 59 Einige Querschnittsstudien stellten eine höhere Prävalenz bei Patienten mit Angle-Klasse-III-Verzahnung fest, gefolgt von Probanden mit Klasse-I- und Klasse-II-Verzahnungen [Willems et al., 2001; Boeck et al., 2011]. Die Ätiologie des Syndroms ist sehr multifaktoriell und bedingt durch unterschiedliche Phänotypen nicht gänzlich geklärt. Nicht auszuschließen sind ungünstige – wahrscheinlich genetisch determinierte – Wachstumsmuster und extrinsische Faktoren wie eine obstruktiv bedingte Mundatmung [Linder-Aronson, 1970; Harvold et al., 1981], vergrößerte Adenoide, Lutschhabits oder verfehlte kieferorthopädische Therapien [Prittinen, 1996]. Aus diesem Grund sollten vor Therapiebeginn die physiologische Respiration sichergestellt und orofaziale Dyskinesien ausgeschlossen oder mitbehandelt werden. Die Studiengruppe von Björk beschäftigte sich intensiv mit der Ätiologie des Long-Face-Syndroms. Sie untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Unterkieferwachstum, seiner Rotation und der Kraft der Kaumuskulatur. Dabei wurden Patienten mit Long-Face-Syndrom in stark und schwach muskuläre Gruppen unterteilt, um deren Ansprechbarkeit auf kieferorthopädische Therapien zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass schwach muskuläre Patienten tendenziell schlechter auf kieferorthopädische Therapien ansprechen. Dies kann häufig zu einer Bissöffnung führen, was bei der therapeutischen Planung berücksichtigt werden sollte [Björk, 1969; Björk und Skieller, 1977; Prittinen, 1997]. Unterm Strich ist eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten und seiner individuellen Bedürfnisse von entscheidender Bedeutung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachleuten wie Kieferorthopäden, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, Logopäden, Hauszahnärzten, Parodontologen und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten ermöglicht eine umfassende Behandlung, die sowohl ästhetische als auch funktionale Aspekte berücksichtigt. Eine frühzeitige Diagnosestellung und eine koordinierte Therapieplanung tragen wesentlich zum Erfolg des Behandlungskonzepts bei und verbessern die Lebensqualität des Patienten nachhaltig. n zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1041) FAZIT FÜR DIE PRAXIS n Bei Patienten mit einem Long-Face-Syndrom ist ein multidisziplinäres Rehabilitationskonzept erfolgsentscheidend. n Vor einer kieferorthopädischen Intervention bei einem parodontal geschädigten Gebiss ist eine erfolgreiche Parodontitistherapie erforderlich. n Der Parodontalstatus sollte während der gesamten Behandlung überwacht werden. n Eine mandibuläre Rückverlagerung sollte unter Berücksichtigung der Respirationsmechanik erfolgten, um optimale Ergebnisse zu erzielen. n Vor der Entbänderung ist sicherzustellen, dass die Hygienefähigkeit und die Pfeilerverteilung gewährleistet sind. n Eine stabile Okklusion ist entscheidend für die Verhinderung von Rezidiven. Dr. Folker Kieser Kieser & Co. Kieferorthopäden Zwinglistr. 4-6, 42275 Wuppertal Foto: Daniel Schmitt/Spitzlicht Dr. Raha Rejaey Universitätsklinik und Poliklinik für Kieferorthopädie Magdeburger Str. 16, 06112 Halle raha.rejaey@uk-halle.de Foto: privat Prof. Dr. Dr. Jörg Handschel Klinik am Kaiserteich Reichsstraße 59, 40217 Düsseldorf Foto: privat Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt/Stellvertr. Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Kämmerer ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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