Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1063) ZAHNMEDIZIN/PERSÖNLICHES | 81 Beide Arbeiten weisen in der Darstellung der Methodik gravierende Schwachstellen auf. So vermisst man unter anderem in der Studie von 1949 die Nennung von Anzahl und Typen der untersuchten Zähne oder die quantifizierte Eingrenzung und Überprüfung des Haftverhaltens (1949). Bei der Studie von 1955 wiederum fehlen unter anderem Angaben zur Deklaration des eingesetzten Kunststoffs und zur Realisierung einer definierten Haftfläche. Die Forschungsergebnisse könnten wegen dieser Limitierungen nach heutigen Standards kaum publiziert werden. Gleichwohl führten sie zu epochalen Entdeckungen, wobei die bahnbrechende Arbeit von 1955 inzwischen als „Klassiker“ zu den berühmtesten Publikationen in der Zahnmedizin überhaupt zählt [Sanches und Michael, 2018]. EXKURS 2 WENN FORSCHUNGSLEISTUNG MIT STANDESDENKEN KOLLIDIERT Der Erfinder selbsthärtender Kunststoffe, Ernst Schnebel, war Leiter der „Hauptprüfstelle und des Versuchslaboratoriums“ des Reichsverbandes Deutscher Dentisten (RDD). Er hatte als handwerklicher Dentist gegenüber der akademischen Zahnärzteschaft keinen einfachen Stand. So sah sich noch 1941 der im Text zitierte Universitätsprofessor Friedrich Schoenbeck veranlasst, die Bedeutung von Schnebels Forschungen zu relativieren und in die Nähe „bewusster Propaganda“ zu rücken. Er schrieb, dass er Schnebels „sicherlich sehr mühevolle Arbeiten“ zwar anerkenne, sie aber nicht unbedingt als „wissenschaftliche Tat“ bezeichnen wolle. Als Schnebel 1942 im Alter von 61 Jahren verstarb, geriet sein Lebenswerk noch einmal in den Strudel berufspolitischen Denkens: Die Dentisten feierten Schnebels Arbeiten als Beleg für die Leistungskraft des Berufsstands – immerhin konnte man die Entwicklung kostengünstiger und ressourcenschonender Dentalmaterialien als wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wirtschaft im Krieg verkaufen. Die akademische Zahnärzteschaft schwieg dazu vornehm – in den zm fand sich zu seinem Tod nur eine kurze Meldung in der Rubrik „Personalien“. PROF. DR. MED. DENT. DR. H. C. WOLFGANG GERNET VERSTORBEN Am 15. April 2024 ist mit Prof. Wolfgang Gernet eine anerkannte Größe der universitären prothetischen Zahnmedizin für immer von uns gegangen. Er hat die restaurative Zahnheilkunde auf vielfältige Weise entscheidend beeinflusst. Nach seinen Studien der Zahnmedizin und Medizin in Freiburg begann er seine akademische Karriere an der prothetischen Abteilung der Klinik und Poliklinik für Zahn-, Mund und Kieferkrankheiten der Universität Freiburg. Sein wissenschaftliches Interesse galt schon früh den Craniomandibulären Dysfunktionen und dem Kiefergelenk. Hier habilitierte er sich und übernahm 1982 eine C3-Professur. Es folgte 1984 seine erste Position als Ordinarius und Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik in der neu gegründeten universitären Zahnklinik in Regensburg. Seine besonnene und ausgleichende sowie gleichzeitig pragmatische und zielführende Art führte ihn in die Funktionen des Dekans und des geschäftsführenden Direktors des Klinikums; hier war er maßgeblich am Aufbau der äußerst renommierten und heute international bekannten medizinischen Fakultät der Universität Regensburg beteiligt. Fast logisch folgte er 1990 dem Ruf an die Universität München, um als Direktor der Poliklinik für Prothetik die größte Abteilung dieser Art in Deutschland zu leiten und nachhaltig zu formen. Dies tat er fast 25 Jahre lang bis zu seiner Emeritierung im September2014. In dieser produktiven und spannenden Zeit prägte er Generationen an Studentinnen und Studenten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie viele begeisterte, treue Patientinnen und Patienten. Er bewies dabei stets Sorgfalt und Akribie mit einem angemessenen Quantum an Großzügigkeit und einem feinen Sinn für Humor. An erster Stelle stand für ihn stets der Mensch. Bei allem beruflichen Ehrgeiz und aller Professionalität hatte seine Familie für Gernet immer einen besonderen Stellenwert. Seine Werte und seine Sicht auf die Zahnmedizin hat er seinen Habilitanden, die inzwischen selbst große Kliniken leiten, mitgegeben. Zukünftige Generationen von Kolleginnen und Kollegen werden somit seine Werte weitertragen. Wir verlieren mit Wolfgang Gernet einen talentierten Wissenschaftler, einen großartigen Kollegen und Hochschullehrer, einen immer fairen Chef und einen außergewöhnlichen Menschen, der trotz dezentem Auftreten unser Fach geprägt hat wie kaum ein anderer. Florian Beuer, Daniel Edelhoff, Jan-Frederik Güth, Reinhard Hickel, Peter Pospiech, Peter Rammelsberg, Michael Stimmelmayr

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