Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 13

ZAHNMEDIZIN | 35 tumstendenz mit einer hohen Rezidivrate. Auch eine „echte“ maligne Entartung ist in seltenen Fällen beschrieben. Molekularpathologisch sind diese Phänomene durch Mutationen in Tumorsuppressorgenen wie dem PTCH1-Gen und anderen erklärbar [Soluk-Tekkesin und Wright, 2022]. Zusätzlich weist die epitheliale Begrenzung der Keratozyste einen hohen Mitoseindex auf [Slusarenko da Silva et al., 2021]. Neben der histopathologischen Zuordnung zu den Zysten oder Neoplasien wird auch die entsprechende chirurgische Therapie weiterhin diskutiert, da sie maßgeblich die Rezidivrate beeinflusst. Die Ansätze reichen von konservativen Maßnahmen wie Enukleation oder Marsupialisation bis hin zur (Kontinuitäts-)Resektion. In einem kürzlich erschienenen Review evaluierten die Autoren die unterschiedlichen operativen Vorgehensweisen bei Vorliegen einer Keratozyste in Bezug auf die Rezidivrate. Aufgrund der heterogenen Datenlage konnte jedoch keine klare Therapieempfehlung ausgesprochen werden [Dioguardi et al., 2024]. Somit bleibt das Ausmaß der chirurgischen Intervention derzeit eine individuelle Therapieentscheidung. Additive Maßnahmen wie die Anwendung der Carnoy'schen Lösung haben aufgrund ihrer potenziellen Neurotoxizität ihren Stellenwert bei chirurgischen Eingriffen verloren. Aktuelle Studien sehen jedoch die topische Anwendung von 5-Fluorouracil nach Enukleation als vorteilhaft an, um die Rezidivrate zu senken [Barua et al., 2023]. Im vorliegenden Fall wurde aufgrund der Rezidivsituation und der anatomischen Lage der Pathologie eine Kontinuitätsresektion gewählt. Zur Wiederherstellung solcher Defekte stehen prinzipiell alle Möglichkeiten der rekonstruktiven Leiter zur Verfügung. Als Goldstandard gilt die Rekonstruktion mittels mikrovaskulär-anastomierten ossären oder osseomyokutanen Transplantaten, je nach Defektsituation [Gallegos-Hernández et al., 2019; Gielisch et al., 2023; Thiem et al., 2024]. Bei Vorliegen einer schweren Komorbidität, wie in diesem Fall, und insbesondere bei einer trotz ausführlicher Aufklärung ablehnenden Haltung der betroffenen Patienten, müssen alternative Behandlungsstrategien wie avaskuläre Transplantate oder alloplastische Rekonstruktionen als Therapiealternativen in Betracht gezogen werden. Zusammenfassend verdeutlicht der Fall einerseits die Sonderstellung der Keratozyste mit ihrer aggressiven Wachstums- und Rezidivtendenz, die eine langfristige und engmaschige Nachsorge erforderlich macht. Andererseits bleiben die Therapieentscheidung sowie das chirurgische Ausmaß der Intervention und die mögliche Wiederherstellung eine individuelle Entscheidung, abhängig von der Pathologie, ihrer anatomischen Lage sowie der Patientenkonstitution und Komorbiditäten. „ zm114 Nr. 13, 01.07.2024, (1117) FAZIT FÜR DIE PRAXIS „ Trotz der Merkmale einer Neoplasie (infiltratives Wachstum, hohe Rezidivrate und molekularpathologische Marker) wird die Keratozyste wieder der Entität der Kieferzysten zugeordnet. „ Die Keratozyste zählt nach der radikulären und follikulären Zyste zu den häufigsten Kieferzysten. „ Oft handelt es sich um einen radiologischen Zufallsbefund, eine histopathologische Sicherung zur Abgrenzung von den wichtigsten Differenzialdiagnosen wie Ameloblastom oder Osteosarkom ist zwingend notwendig. „ Das Ausmaß der chirurgischen Therapie bleibt eine individuelle Entscheidung. „ Eine engmaschige und langfristige klinische und radiologische Nachsorge ist zwingend indiziert. Abb. 3: Die postoperative DVT-Kontrolle (3-D-Rekonstruktion) zeigt die Kontinuitätsresektion und das zur Rekonstruktion eingebrachte avaskuläre Beckenkammtransplantat bei regelhafter Osteosynthese. Fotos: Universitätsmedizin Mainz CME AUF ZM-ONLINE Rezidiv einer Keratozyste im Unterkiefer eines kardial vorbelasteten Patienten Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=