Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 13

POLITIK | 37 zm114 Nr. 13, 01.07.2024, (1119) „Wir fokussieren uns auf verschiedene Wohnformen für Alten- und Pflegeheime und garantieren damit, dass es sich betriebswissenschaftlich auch lohnt. Wir wollen bestehende Strukturen ergänzen und nicht ersetzen“, sagt Projektleiter Lippek. Es sei ein Glücksfall gewesen, dass die Gebrüder Clamors – beide Zahnärzte aus Nordrhein-Westfalen – dem Pilotprojekt ihren Bus zur Verfügung gestellt haben, den sie vor etwa vier Jahren für die eigene Verwendung erdacht und konzipiert hatten, erzählt Lippek. Seit 16 Jahren fahren Sören und Björn Clamors zusammen nach Feierabend Altersheime in ihrer Region an. Sie sind die einzigen in einem Umkreis von mehreren Kilometern, die Hausbesuche machen. Bis zu 25 Behandlungen am Tag sind mit dem Fahrzeug DAS SAGEN DIE PROJEKTPARTNER „UNSER KONZEPT BERUHT DARAUF, DASS ALLE AN EINEM STRANG ZIEHEN“ „Wir als Kassenzahnärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern waren bereit, das Projekt ideell zu unterstützen“, sagte uns Dr. Gunnar Letzner, Vorsitzender des Vorstands der KZV M-V. „Die aufsuchende Zahnmedizin kann dabei helfen, die Versorgung im ländlichen Raum zu unterstützen. Das heißt konkret, dass fünf Zahnärztinnen und Zahnärzte aus MV mit einem vollausgestatteten Bus –einer Praxis auf Rädern – die Pflegeheime anfahren, um dann deren Bewohner zu behandeln. Alte Menschen werden oft vergessen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst in eine Zahnarztpraxis gehen können oder nicht mobil genug sind.“ Damit erhoffe sich die KZV eine Verbesserung der Behandlungsqualität vor Ort, etwa durch die Lagerungsmöglichkeit der Patienten mit entsprechender Beleuchtung, den Einsatz einer hochwertigen Behandlungseinheit sowie die Anfertigung von Röntgenbildern. Wenn die Testphase in MV gut anläuft, soll ein solches Fahrzeug durch „32bit“ angeschafft werden. Das werde sich herumsprechen und anderen alten Leuten Mut machen, sich in die Hände der mobilen Zahnmedizin zu begeben, hofft Letzner. Die fahrende Praxis könne aber nur eine Ergänzung zur niedergelassenen Zahnärzteschaft darstellen. Aus Sicht der KZV M-V geht es weiter vorrangig darum, dass junge Zahnmediziner ins Land kommen beziehungsweise dort bleiben, um eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen. Dr. Jens Palluch, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KZV M-V, unterstreicht, dass sich die fünf Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Pilotprojekts mit dem Setting „Behandeln in der mobilen Praxis“ vertraut machen können. „In diesem Test unter realen Bedingungen besteht natürlich ebenso die Möglichkeit, Problemlagen aufzudecken und für die Zukunft zu optimieren“, berichtete er. Aber auch Bewohnerinnen und Bewohner und Mitarbeitende aus Pflegeheimen könnten anschließend über ihre Erfahrungen berichten. „Wir sollten das Pilotprojekt nutzen, um die Öffentlichkeit und die Kollegenschaft für die Mundgesundheit vulnerabler Patienten zu sensibilisieren.“ Gerade pflegebedürftige Menschen hätten oft große Schwierigkeiten, sich in zahnärztliche Behandlung zu begeben. „Da sind dann alle Beteiligten menschlich oder emotional gefordert und es muss viel Geduld an den Tag gelegt werden. Dabei kann man, da bin ich mir sicher, viel Neues lernen und erleben“, so Palluch weiter. „Vielleicht kommt das sogar bei den ZahnmedizinStudierenden an, dass es ein spannendes Betätigungsfeld sein könnte – mobile Zahnmedizin neben der eigenen Niederlassung, später mal.“ Für die Präsidentin der Zahnärztekammer MecklenburgVorpommern, Stefanie Tiede, ist das Projekt „Mobile Zahnmedizin“ ein Ansatz, um das Problem der Versorgung der vulnerablen Gruppen im Land Mecklenburg-Vorpommern anzugehen. „Denn in unserem Bundesland treffen zwei Faktoren zusammen, die diese Versorgung erschweren: der im Bundesvergleich hohe Altersdurchschnitt der Bevölkerung bei einer äußerst dünnen Besiedelung der ländlichen Räume“, erläutert Tiede. Klar sei, dass die bereits jetzt knappen Ressourcen für eine adäquate Versorgung künftig nicht mehr ausreichen. Von daher sei es dringlich geboten, mögliche Lösungsansätze zu diskutieren und mittels Pilotprojekten auf ihre Durchführbarkeit zu testen. Die größte Herausforderung sieht sie in den begrenzten Kapazitäten der Kollegenschaft, insbesondere bei den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und ihren Teams. „Von daher würde ich beispielsweise eine Einbindung der Universitätskliniken unseres Landes sehr begrüßen“, betonte sie. „Darüber hinaus wird es sicher auch Herausforderungen technischer und logistischer Art geben, die aber über die Durchführung solch eines Pilotprojekts erkannt und gelöst werden können.“ Tobias Lippek, Mitgründer von 32bit, erläuterte uns die Hintergründe des Pilotprojekts. „Mit unseren schlüsselfertigen Zahnarztbussen und unserer Serviceplattform möchten wir den Alltag von Zahnärzten einfacher gestalten“, erklärte er. 32bit sei gegründet worden, um Versorgungslücken im ländlichen Raum zu schließen. Für den Erfolg sei die ressortübergreifende Zusammenarbeit entscheidend – zwischen den Zahnärztinnen und Zahnärzten vor Ort, den Vertretern der Standesorganisationen, den Pflegeheimen, den Kommunen und der regionalen Gesundheitspolitik. „Unser Konzept beruht auf Kooperation, bei der die verschiedenen Akteure an einem Strang ziehen.“ Die Kollegenschaft werde über Soziale Medien, über Online-Veranstaltungen, über die Kammer und die KZV und über Direktansprachen zum Mitmachen motiviert. Eine große Rolle spielten auch die Praxisteams. Gerade werde evaluiert, in welcher Form sie optimal unterstützt werden können. Dem Personalmangel zum Trotz habe er die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich gerne engagieren. Und perspektivisch gedacht sei es möglich, die Pilotphase auszudehnen und das Projekt auch bundesweit aufzustellen. pr

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