52 | ZAHNMEDIZIN Säureätzung und Applikation von Dentinadhäsiven berichtet [Gwinnett und Tay, 1998; Hebling et al., 1999]. Pulpaschäden treten oft ohne klinische Symptome auf, können aber histologisch nachgewiesen werden [Shen et al., 2022] (Abbildung 2). Zytotoxizitätstestung Obwohl ein Zahn auch ohne Pulpa nach erfolgreicher Wurzelkanalbehandlung in der Mundhöhle verbleiben kann, ist es immer erstrebenswert, die Pulpa zu erhalten [Caplan et al., 2005]. Deshalb müssen Hersteller dentaler Materialien für die Marktzulassung und den Erhalt des CE-Kennzeichens eine umfangreiche klinische Risikobewertung durchführen. Das gesamte Verfahren ist in der Medizinprodukte-Gesetzgebung der EU festgelegt, die Einzelheiten der Prüfungen und der Risikobewertung in entsprechenden ISO-Normen. Die klinische Risikobewertung erfolgt nach ISO-14971 und muss die beabsichtigte Funktion des Materials im Mund, seine physikalischen und chemischen Eigenschaften, die Freisetzung von Substanzen durch das Material, den Ort und die Dauer der Exposition berücksichtigen. Das Ergebnis der klinischen Risikobewertung bestimmt die durchzuführenden Tests (Abbildung 3). Während sich ISO-10993 auf die biologische Bewertung aller Medizinprodukte bezieht, beschreibt ISO-7405 spezielle Tests für die Untersuchung der Biokompatibilität dentaler Materialien. Zu den In-vitro-Tests, die in der ISO-Norm beschrieben werden, gehören unter anderem der Agardiffusionstest (Abbildung 4), der Filterdiffusionstest (Abbildung 5) und der Extrakttest (Abbildung 6). In diesem Zusammenhang können auch In-vitro-Tests zur Gentoxizität und Mutagenität erforderlich werden. Als In-vivo-Test ist der Pulpa-DentinAnwendungstest beschrieben (Abbildung 7). Hier werden Materialien nach Herstellerangaben an Tierzähnen getestet. Als Versuchstiere eignen sich Affen, Hunde, Frettchen oder Minischweine. Auch die Verwendung von zur Extraktion freigegebenen menschlichen Zähnen wird dargestellt. Obwohl dieser Pulpa-Dentin-Anwendungstest die Situation am Patienten besser simuliert als Zellkulturtests, haben auch diese Verfahren Limitationen. Bei In-vivo-Versuchen an Versuchstieren und auch an menschlichen Zähnen ist krisitsch, dass dies meist Zähne mit einer gesunden, oftmals jungen und damit regenerationsfähigen Pulpa sind, wohingegen in der Praxis meist schon eine kariesbedingte Pulpavorschädigung vorliegt, wodurch die Heilungs- und Regenerationsfähigkeit der Pulpa eingeschränkt sein kann. Zudem muss der Einsatz von Versuchstieren nach gegenwärtiger Gesetzeslage kritisch betrachtet werden und in jedem Fall durch den möglichen Erkenntnisgewinn gerechtfertigt sein. Tierversuche können also in besonderen Fällen nötig sein, beispielsweise bei vollständig neuer Chemie eines Produkts oder neuen Materialklassen [Schmalz und Arenholt-Bindslev, zm114 Nr. 13, 01.07.2024, (1134) Abb. 3: Strategie der Risikobewertung von möglichen Pulpaschäden: Durch eine klinische Risikoanalyse werden durchzuführende Tests bestimmt. Hierbei kann es sich um In-vitro- und nach Reevaluation des Risikos auch um In-vivo-Tests handeln. Beispiele sind hier in hellblau angegeben. Das Ziel ist, ein akzeptables Risiko nachzuweisen. Schaubild adaptiert nach [Schmalz und Arenholt-Bindslev, 2009]. Foto: Ohlsson, adaptiert nach [Schmalz und Arenholt-Bindslev, 2009] Abb. 4: Agardiffusionstest (ISO-7405 6.2): Zellen werden auf dem Boden eines Zellkulturgefäßes kultiviert und anschließend mit einer Schicht Agarose und Neutralrot-Farbstoff bedeckt. Auf diese Schicht werden Materialplättchen platziert. Nach 24 Stunden wird der Durchmesser der entfärbten Zone um die Testkörper herum gemessen und die Zellmorphologie bestimmt. Die Zone entsteht, da nicht vitale Zellen kein Neutralrot aufnehmen. Foto: Ella Ohlsson Abb. 5: Filterdiffusionstest (ISO-7405 6.3): Die Zellen werden auf einem Filter kultiviert, der dann mit der Zellen enthaltenden Seite nach unten auf eine Schicht aus Agarose gelegt wird. Darauf werden Prüfkörper oder Extrakte platziert. Anschließend wird die Fläche um die Prüfkörper, auf der eine reduzierte Enzymaktivität der Zellen vorliegt, cytochemisch bestimmt. Foto: Ella Ohlsson
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